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Stuttgarter Nachrichten, 03.11.2009 |
Susanne Benda |
Wiegenlieder
Der Mond geht auf mit Jonas Kaufmann
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Cornelius Hauptmanns
"Wiegenlieder"-Projekt will Kinder und Eltern wieder zum Singen bringen |
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Stuttgart - Schon die erste von zwei CDs, die der Stuttgarter Carus-Verlag
jüngst herausbrachte, liest sich wie ein Who's who des deutschen
Liedgesangs. Ein Liederbuch ist parallel erschienen, und demnächst sendet
SWR 2 wöchentlich eines der 52 Wiegenlieder: das gelungene Ergebnis einer
total verrückten Idee.
Ein Sänger bekommt Besuch. Der Freund, der zu Gast ist, unterrichtet Musik
am Gymnasium. Er erzählt, wie er eine Klasse von Zwölfjährigen gefragt habe,
ob einer von ihnen "Der Mond ist aufgegangen" oder "Weißt du, wie viel
Sternlein stehen" kenne. Kein Schüler meldet sich. Der Sänger ist entsetzt,
er ereifert sich, denn für ihn gehören Wiegenlieder mitsamt ihren
Erinnerungen an die Geborgenheit der frühen Kindheit zu den tiefsten
Gefühlswurzeln jedes Menschen.
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Der Sänger wohnt in Stuttgart und heißt Cornelius Hauptmann. Er erinnert
sich daran, dass nach einem Liederabend in einem Stuttgarter Altenwohnheim,
den er mit einem Wiegenlied abschloss, ein Paar auf ihn zukam: "Das", sagte
die Frau, "ist mein Mann. Er ist dement, er erkennt mich nicht mehr, aber er
hat eben das ganze Lied mitgesungen." Cornelius Hauptmann nimmt Kontakt zu
52 Sängern und Sängerinnen auf, die er größtenteils persönlich kennt. Er
wendet sich an den SWR, an den Stuttgarter Carus-Verlag - und "es war
unglaublich", sagt er heute, zwei Jahre nach seiner ersten Initiative, "die
Türen waren überall nur angelehnt, ich musste sie nur aufstoßen".
Das Ergebnis seiner Initiative kann gehört, angeschaut und benutzt werden:
Ein Liederbuch mit Akkorden und einer beigelegten Mitsing-CD, auf der eine
Geigerin (die Stuttgarter Hochschulprofessorin Christine Busch) die Melodien
spielt, ist auf dem Markt, und zu haben ist auch die erste von zwei CDs mit
Wiegenlieder-Aufnahmen bekannter Sänger. Unter diesen ist neben Birgid
Steinberger, Michael Nagy, Sibylla Rubens, Christian Gerhaher, Ingeborg
Danz, Roman Trekel, Christiane Iven und Jan Kobow sogar der Gesangsveteran
Kurt Moll (73), der immer noch fast so volltönend und rund singt wie ehedem.
Den Senior gibt Peter Schreier (74). Ihn musste Cornelius Hauptmann zwar
"ein bisschen überreden". Doch schließlich sagte Schreier zu: "Sie sind ja
schlimmer", soll er dabei gegrummelt haben, "nein, viel schlimmer als ein
österreichischer Agent."
Das Elternpaar Jonas Kaufmann und Margarete Joswig singt ein inniges
"Heidschi bumbeidschi bum bum", Christian Elsner musiziert gemeinsam mit
seinen Kindern, Michael Volle lässt sich bei "Nun wollen wir singen das
Abendlied" von seiner 16-jährigen Tochter Ann-Sophie auf der Celesta
begleiten. Und neben dem Lied-Doyen Christoph Prégardien, dessen
Interpretation von "Der Mond ist aufgegangen" ganz natürlich klingt und auf
alle Kunstlied-Attitüde verzichtet, bringt sich auch dessen Sohn Julian,
ebenfalls Tenor, mit einem kleinen, feinen Lied Franz Schrekers ein. Leider,
sagt der 25-Jährige nach der Studioaufnahme, habe ihn sein Vater nicht oft
in den Schlaf singen können, dafür sei dieser zu viel unterwegs gewesen -
"aber ich kann mich an ein Wiegenlied erinnern, das unser tschechisches
Au-pair-Mädchen gemeinsam mit ihrer Schwester für mich sang. Das Lied war
wunderschön melancholisch."
Übrigens haben sämtliche beteiligten Musiker auf ein Honorar verzichtet -
ohne dieses bisher wohl größte gemeinsame ehrenamtliche Engagement der
deutschsprachigen Sänger hätte sich kein Sender und kein Verlag auf das
Projekt eingelassen. Selbst der Carus-Verlag hätte sonst ablehnen müssen -
und das, obwohl dessen Geschäftsführer Johannes Graulich ein ausgebildeter
Kinderarzt ist, der um die Bedürfnisse und Empfindlichkeiten des Nachwuchses
weiß. "Wir haben heute zwar immer mehr Musik um uns, singen und musizieren
aber immer weniger selbst", stellt Graulich fest; deshalb habe man nicht nur
Lieder ausgewählt, die sich zum Singen mit Kindern besonders eignen, sondern
die Lieder im Buch auch etwas höher notiert, als Erwachsene sie
normalerweise gern anstimmen. Ein Band mit Klaviersätzen zu gut 50
Wiegenliedern ergänzt das Liederbuch. Dessen liebevolle Ausgestaltung zeugt
vom Geist, der diese Produktion getragen hat und noch trägt. Ihn spürt man
auch beim Hören der CD. Und mit zwei Euro pro Silberscheibe unterstützt
jetzt jeder Käufer zudem die Kinderhilfs-Aktion Herzenssache, die sich unter
anderem auch für die Förderung des kindlichen Singens einsetzt.
Vom 28. November an sendet SWR 2 jeden Samstag um 19.05 Uhr ein Wiegenlied,
ergänzt durch Hintergrundinformationen und Kommentare der Sänger.
"Vielleicht", hofft Cornelius Hauptmann, "traut sich dann ja der eine oder
andere, wenigstens beim Hören im Auto mit Jonas Kaufmann mitzusingen. Der
kann das dann ja nicht hören." |
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