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Aachener Zeitung, 8. August 2009 |
VON HOLGER ERDMANN |
Der grüne Hügel wartet schon
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In Deutschland wird der Tenor
Jonas Kaufmann seit der CD „Romantic Arias“ als neuer Stern bezeichnet. In
NewYork, London und Zürich gilt er längst als Opernstar von Weltformat. |
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Es
herrscht rege Betriebsamkeit im Züricher Opernhaus. Die Vorbereitungen auf
die abendliche Vorstellung laufen auf Hochtouren. Der Inspizient
kontrolliert den Bühnenraum und dirigiert einige Kulissen an die richtige
Stelle. Bühnenarbeiter präparieren den Bühnenboden. Auf den Fluren im
Backstage-Bereich begrüßen sich Musiker und Chormitglieder. Aus einigen
Umkleideräumen schallen die Aufwärmübungen der Solisten.
Mittendrin in dem Gewusel steht ein hoch aufgeschossener Mann mit
Dreitagebart, in ausgewaschenen Jeans, grauem T-Shirt und Turnschuhen. Man
könnte ihn durchaus für einen der vielen Bühnenarbeiter halten. Aber es ist
der Mann, den einige Boulevardblätter als den neuen „Latin Lover der
internationalen Opernwelt“ feiern. Es ist Jonas Kaufmann. Der gebürtige
Münchner, kürzlich 40 Jahre alt geworden, kann mit solchen Kategorisierungen
nicht viel anfangen. „So etwas schreiben halt Leute, die meist nur wenig
Ahnung von klassischer Musik haben und sich deshalb anderer Attribute
bedienen müssen. Aber es stört mich nicht sonderlich.“
Jonas Kaufmann strahlt eine innere Ruhe und Gelassenheit aus, die einerseits
daher rühren dürfte, dass, der Münchner schon sehr viel erreicht hat. So gab
er bereits 1999 sein Debüt bei den Salzburger Festspielen, seit 2001 singt
er regelmäßig in Zürich. Seinen ersten Amerika-Auftritt hatte er ebenfalls
2001 an der „Lyric Opera“‘ in Chicago, 2004 bejubelte ihn das Pariser
Publikum zum ersten Mal. 2006 gelang ihm dann als Alfredo in Verdis „La
Traviata“ der endgültige Durchbruch an der Metropolitan Opera in New York.
Andererseits könnte das entspannte und unprätentiöse Wesen des Sängers auch
darauf beruhen, dass er seit einigen Jahren intensiv Yoga betreibt. „Ich
mache Yoga nicht nur, um körperlich gesund zu sein, sondern vor allem, weil
es mir beim Singen hilft“, erklärt Kaufmann. „Man wärmt den ganzen Körper
auf, spürt jeden Muskel, jede Sehne. Das ist sehr hilfreich fürs Singen,
denn man lernt, nicht die gesamte Last auf die Stimme zu legen, sondern sie
als Teil von Körper und Geist zu begreifen.“
Es gibt noch etwas anderes, das zeigt, wie bodenständig der dreifache
Familienvater seinen Alltag meistert: Er bügelt seine Hemden selbst. „Man
könnte natürlich etwas Meditatives hinein interpretieren, aber so viele
Hemden habe ich nicht“, meint Jonas Kaufmann lachend. „Ich bin nunmal viel
auf Reisen, aber da nehme ich nicht den ganzen Kleiderschrank mit. Also
wasche ich fast täglich irgendwelche Sachen. Und dann muss ich natürlich
auch selbst bügeln. Das ist eine eher gleichmütige Tätigkeit, ein bisschen
wie Wandern. Und tatsächlich kommen einem dabei mitunter die besten Ideen! “
Alles gut geplant
Die Idee für seine aktuelle CD „Sehnsucht“ kam ihm allerdings nicht beim
Bügeln sondern ist das Ergebnis wohlüberlegter Karriereplanung. „Ich hatte
grundsätzlich gesagt, dass mein erstes Album („Romantic Arias“ von 2008) ein
gemischtes Album sein muss, weil ich ein relativ vielseitiger Sänger bin,
der im deutschen, französischen und italienischem Fach tätig ist und Gott
sei Dank auch erfolgreich“, erläutert Kaufmann seinen Ansatz. „jetzt war der
zweite Schritt, dass man sich auf ein Repertoire konzentriert. Für mich als
Deutschen war es naheliegend, dass wir mit dem deutschen Repertoire
anfangen.
Mit dem Titel „Sehnsucht“ wollte der Tenor nicht nur eine Brücke zur äußerst
erfolgreichen CD „Romantic Arias“ schlagen, sondern auch einen Begriff
finden, der am besten das Repertoire der neuen CD beschreibt. „Ich glaube,
dass die Sehnsucht die Triebfeder ist, die all die Charaktere bewegt, deren
Arien ich auf diesem Album singe. Gleichzeitig ist es ein sehr romantischer
Begriff — auch ein typisch deutscher. Typisch deutsch bedeutet für mich
nicht Bratwurst oder Brandenburger Tor, sondern es sollte ein bisschen
weniger plakativ, etwas subtiler sein.“
Subtil ist ein gutes Stichwort für die Gestaltung der verschiedenen Arien,
die Jonas Kaufmann auf seiner neuen CD interpretiert. So singt er Wagners
Lohengrin nicht als unnahbaren Helden, sondern als einen Menschen, der
offensichtlich einiges erlebt hat und auch nachdenkliche Seiten offenbart.
Ähnlich vielschichtig gelingt ihm der Tamino aus Mozarts „Zauberflöte“.
„Beides sind gebrochene Helden“, findet Kaufmann. „Ich denke, die
Quintessenz des Lohengrin ist, dass er ohne Frage sehr erfahren ist, aber
hier zum ersten Mal sein Menschsein entdeckt, nachdem er sich in Elsa
verliebt hat. Ähnlich ist es bei Tamino. Der verliebt sich Hals über Kopf in
Pamina. Im Lauf der Oper entwickelt er sich vom ziemlich überheblichen
Prinzen zu einem Menschen, der erwachsen wird und sich selbst nicht mehr so
ernst nimmt. Ich finde es immer wieder spannend, diese menschliche Note zu
zeigen, denn die macht diese Figuren sympathisch.“
Seine außergewöhnliche Vielseitigkeit und auch der gewisse erotische Klang
in seiner Stimme haben Jonas Kaufmann zu einem der begehrtesten Tenöre der
Gegenwart gemacht. So ist es kein Wunder, dass auch der „Grüne Hügel“ in
Bayreuth auf ihn aufmerksam geworden ist. 2010 soll er den Lohengrin in der
Neuinszenierung von Hans Neuenfels singen. Das dürfte ein weiteres Highlight
in seiner eindrucksvollen Karriere werden.
Fünf Fragen
Wovon träumen Sie?
Kaufmann: Ich träume nur sehr selten. Und wenn, sind es meistens Tagträume,
an die ich mich kaum erinnern kann.
Wann haben Sie das erste Mal geträumt, Wagners „Siegfried“ zu singen?
Kaufmann: Ich kann mich wirklich nicht erinnern, wann es das erste Mal war.
Aber wenn man sich entschlossen hat, professioneller Sänger zu werden, gibt
es immer ein paar Partien, die einem im Kopf herumspuken.
Und die wären?
Kaufmann: Für mich gehört vor allem der Othello dazu. Das ist ein Charakter,
der — abgesehen von der göttlichen Musik — so interessant, wild und
vielschichtig ist, dass ich es kaum erwarten kann.
Wie steht es um Ihre persönlichen Sehnsüchte?
Kaufmann: Die halten sich mittlerweile in Grenzen, weil ich in meinem Beruf
schon sehr viel erreicht habe. Jetzt ist es eher umgekehrt. Man wünscht sich
mehr Privatleben, mehr Freizeit, mehr Ruhe. Aber das lässt sich alles
irgendwie bewerkstelligen.
Was ist gegenwärtig Ihre Liebste Rolle?
Kaufmann: Der Familienvater. Es ist sehr schön und übrigens auch sehr
gesund, zu Hause eintach nur der Papa zu sein, der Windeln wechseln, spielen
und den Kindern bei den Hausaufgaben helfen muss. |
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