dpa, 27.05.2009
 
Turnschuh-Tenor Jonas Kaufmann besingt Sehnsucht
Er wird bereits als der Nachfolger von Rolando Villazón gehandelt: Tenor Jonas Kaufmann gilt zur Zeit als rasant aufsteigender Star der internationalen Musikwelt.
 
Zum 60. Geburtstagsfest der Bundesrepublik trat der dunkelhaarige Wuschelkopf bei Beethovens Neunter mit dem Dirigenten Daniel Barenboim am Brandenburger Tor auf. Kaufmanns neue CD «Sehnsucht» kreist termingerecht zur Feier um deutschsprachige Komponisten. Von Mozart bis Wagner versammelt die neue Platte Opernarien und Lieder als wär's eine Postkarte aus der klingenden Nation.

Kaufmann spielt bewusst mit dem Deutschlandklischee. Vor einer Caspar-David-Friedrich-Kulisse steht der 39-Jährige auf dem Plattencover im langen Gehrock als medialer Botschafter aus dem Land der Dichter und Denker. Zwar betrachte er heute seine CD «Romantic» für das Label Decca, die er vor einem Jahr mit Arien auf Deutsch, Französisch und Italienisch aufnahm, als Türöffner, sagt Kaufmann. Mit ihr landete er sogar in den Charts. In seiner zweiten Produktion habe er sich aber auf ein bestimmtes Repertoire konzentrieren wollen. Die Plattenfirma stellte ihm dazu Claudio Abbado und das Mahler Chamber Orchestra zur Seite.

Die Ochsentour durch die Opernbühnen der Provinz hat Kaufmann hinter sich. Am 11. Juli wird er sein Rollendebüt als Lohengrin in München geben. Es wäre die dritte Wagner-Rolle nach Parsifal und Walter von Stolzing. Im neuen «Ring» der Metropolitan Opera kehrt er 2011 als Siegmund nach New York zurück. Auch an der Mailänder Scala und dem Royal Opera House in London ist Kaufmann bereits eine feste Größe. «Der bedeutendste Tenor aus Deutschland der vergangenen 50 Jahre», schwärmte der Musikkritiker des «Guardian».

Mit Dreitagebart und in Turnschuhen passt der Vater von drei Kindern und einstige Mathematik-Student kaum in das Bild des Bühnenhelden. Der geborene Münchner, der erstmals Wagner-Opern hörte, als sein Großvater sie in Auszügen auf dem Klavier spielte, bietet sich als Brückenbauer zum opernfernen Publikum an. Mit seinem Aussehen könne er auch in «Sex and the City» mitspielen, schrieb eine Zeitung.

Dabei wurde er schon mal als «Pöbel-Tenor» angegriffen. Während einer Aufführung von Mozarts «Entführung aus dem Serail» in Salzburg buhte und schimpfte das Publikum - allerdings gegen die Inszenierung von Stefan Herheim. Da rief Kaufmann: «Es steht jedem frei, nach Hause zu gehen.» Der Satz ging in Buhrufen unter.

Nun will er sich nach dem Trubel der Anfangsjahre mehr seiner Familie widmen und - auch wenn er es nicht ausdrücklich sagt - wohl auch die Fehler des Rolando Villazón vermeiden. Der Mexikaner hatte, kaum erholt von einer mehrmonatigen Pause, seine Stimme erneut überstrapaziert und muss nun für eine Stimmbandoperation für längere Zeit wieder schweigen. Auch Kaufmann musste durch eine Stimm- und Sinnkrise hindurch, erst sein Gesangslehrer gab ihm wieder Zuversicht.

Zwar bewirbt die Plattenfirma Kaufmann als Nachfolger des legendären Fritz Wunderlich (1930-1966). Tatsächlich sieht Kaufmann den bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Tenor auch als Idol an - vor allem für die Kontrolle der Stimme und die Gabe, damit das Publikum zu erschüttern. Und wie Wunderlich hat Kaufmann den Tamino aus Mozarts «Zauberflöte» zu seiner Paraderolle ausgebaut, für die er nach New York, Wien und Zürich geholt wird.

Doch im Gegensatz zu Wunderlich hat Kaufmann eine tiefe, geerdete Stimme, die die Herausforderungen des Fachs mühelos besteht - von Beethovens «Fidelio» bis Wagner - egal ob Parsifal, Lohengrin oder Siegfried. Zwar sagt er das nicht ausdrücklich, aber die CD ist wohl auch eine Empfehlung für Bayreuth. Der Grüne Hügel könnte einen Sänger wie Jonas Kaufmann sicher gut gebrauchen.

dpa






 
 
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