Focus, Nr. 18, 27. April 2009
GREGOR DOLAK
Deutschlands neue Schwanenritter
Seit den Drei Tenören geben Latinos den Ton an. Aber deutsche Sänger wie Jonas Kaufmann und Klaus Florian Vogt erobern die Bühne zurück
Fotos: Dietmar Scholz/Decca und Corbis
Mein lieber Schwan: Der pure Zufall führt Regie bei der inoffiziellen Lohengrin“-Meisterschaft der deutschen Opernhäuser. Kein Jubiläum, kein Jahrestag, wie sie sonst die Spielpläne beeinflussen. Eher versehentlich haben die Intendanten der Republik in diesem Frühling Wagners Schwanenritter-Stück aufs Programm gesetzt....
(gekürzt)
...Auf der Bühne arbeitet er (Klaus Florian Vogt) zwar erfolgreich. Die Tonträger-Karriere kommt jedoch nicht recht in Gang. Der nordische Blonde glaubt: „Seit den Drei Tenören spielt da der mediterrane Typ die Hauptrolle: dunkle Haare, Teint, Dreitagebart.“

Diesem Anforderungsprofil kommt ein anderer Deutscher besser entgegen. Der Münchner Jonas Kaufmann überzeugt auf der Bühne und verkauft CDs. Mitte Mai erscheint sein neues Album „Sehnsucht“‚auf dem er auch Arien aus „Lohengrin“ intoniert. In seiner Stimme, die er neben Wagner auch in Puccinis „Tosca“ und Verdis „Traviata“ geschult hat, schwingt das Melos der Italiener von Caruso bis Pavarotti mit.

Die südliche Tönung entwickle den deutschen Tenor zum Modell der Zukunft, glaubt Kaufmann. Der „ Lohengrin“ sei für seine Spezies so wichtig, „weil Wagner ihn am Übergang der italienischen Oper ins deutsche Gesamtkunstwerk komponierte“. Die hochromantische Paraderolle, der schon Bayernkönig Ludwig II. verfallen war, singt er kommendes Jahr in Hans Neuenfels‘ Neuinszenierung bei den Bayreuther Festspielen. Und schon in diesem Sommer bei den Münchner Opernfestspielen, wofür die Karten bereits ausverkauft sind.
Nach Publikumsinteresse gerechnet, dürfte die deutsche „ Lohengrin“ -Meisterschaft also bereits entschieden sein. Vorausgesetzt die Version, die demnächst an der Oper Frankfurt/Main mit Michael König in der Titelpartie über die Bühne geht (Premiere: 3. Mai), sticht die Konkurrenz nicht aus.

Im internationalen Maßstab müssen die Herren ohnehin noch kämpfen. Im Ausland werde Tenören made in Germany nämlich noch immer kaum zugetraut, „dass sie emotional und glutvoll singen können“ ‚ berichtet Kaufmann. Zwischen Mailänder Scala und New Yorker Met trifft er kaum auf Landsmänner, die neben deutscher Klassik und Romantik auch in Opern des Verismo brillieren.

Den Schritt in die Welt ist Kaufmann vor Jahren gegangen. Als seine Karriere zu Hause in München nicht vorankam, übersiedelte er nach Zürich. An der dortigen Oper interpretiert er die Werke aus Bella Italia — und sehnt sich nach Deutschland. Genauer gesagt: Bayern. „Nach dunklem Brot, Leberwurst und Weißbier“‘ lacht der Sonnyboy. So viel Heimatromantik muss sein.

GREGOR DOLAK






 
 
  www.jkaufmann.info back top