Bühne, April 2008
Stefan Musil
Jugendlicher Tausendsänger
Jonas Kaufmann, Der deutsche Startenor hat eine CD mit romantischen Arien vorgelegt.
Romantisch - unter diesem Begriff lässt sich viel subsumieren. Wie viel das führt der junge deutsche Tenor Jonas Kaufmann auf seiner jüngsten CD mit dem Titel Romantic Arias vor. Mit der Vielfalt der darauf gebannten Arien lassen sich heute locker drei Tenor-Karrieren bestreiten. Egal ob Puccinis La Bohème oder Tosca, Bizets Carmen, Flotows Martha, Verdis Don Carlo, Rigoletto und La traviata, ob Webers Freischütz, Massenets Manon oder sein Werther, Wagners Meistersinger sowie Faust, einmal von Gounod und einmal von Berlioz - Jonas Kaufmann schmachtet sich mit Hingabe durch Arien aus all diesen Opern mit seinem dunklen, virilen Timbre und wird dabei vom Prager Philharmonischen Orchester unter der soliden Leitung von Marco Armiliato begleitet.

Breit gefächerte Stimme.

Fast in allen diesen Partien war er längst auch auf der Bühne zu erleben oder wird damit in Kürze debütieren. Allerdings ist dies nur ein Teil seines breiten Repertoires, das von den lyrischen Mozartpartien Tamino, Belmonte und Ferrando bis hin zu Titus und Idomeneo reicht, aber auch Monteverdi kennt, oder Schuberts Fierrabras, ja sogar schon Wagners Parsifal miteinschließt.

Wie schafft man das?, lautet die Frage, angesichts dieser Bandbreite vom Lyrischen bis zum Dramatischen, von deutscher über französische bis hin zu italienischer Oper. „Ich weiß es nicht“, ist die gelassene Antwort von Jonas Kaufmann. „Ich habe das Glück, dass meine Stimme breit gefächert ist.“

Studiert hat er in seiner Heimatstadt München. Von 1994 bis 1996 war er fix am Staatstheater in Saarbrücken engagiert, und seit 2001 ist er Mitglied des Opernhauses Zürich. Dennoch gastiert er fleißig auf den großen Bühnen der Welt, in London, Paris, in New York, Berlin, München oder bei den Salzburger Festspielen. Sein breites Repertoire bereitet Kaufmann jedenfalls keine Probleme, im Gegenteil: „Damit erhalte ich mir diese Flexibilität. Dazu kommt der Spaßfaktor, nicht nur mit fünf oder sechs Partien sein Berufsleben zu bestreiten, sondern alles ausprobieren zu können.“

So findet er es auch gar nicht schwierig, kurz nach einem Tamino eine schwere Partie zu singen, leichter jedenfalls als umgekehrt. „Die schweren Sachen sind viel angenehmer zu singen. Man braucht einfach nur den Mund aufzumachen. Wenn es fein und beweglich sein soll, ist das oft eine größere Herausforderung und man benötigt viel mehr Konzentration.“

Viele seiner Rollen konnte er dabei in Zürich erarbeiten, wohin ihn 2001 Direktor Alexander Pereira verpflichtete. „Ich habe Pereiras Bemühungen zunächst nur müde belächelt. Ich hatte meine Erfahrungen mit einem fixen Engagement und habe mir geschworen: nie wieder! Aber mit Pereira habe ich in Zürich eine Basis gefunden, die sehr gut funktioniert. Zürich hat viel Geld, um für eine hohe musikalische Qualität zu sorgen. Außerdem ist es ein kleines Haus, so dass man auch Grenzpartien ausprobieren kann, ohne seine Stimme in Gefahr zu bringen.“

Wenn Pereira 2011 Zürich verlässt, wird wohl auch Kaufmanns Zeit dort enden. Allerdings gibt es gute Kontakte mit dem neuen Münchner Opernchef Klaus Bachler, der, so Kaufmann, Ähnliches im Sinn hat wie Pereira. Im Sommer 2009 wird der Tenor jedenfalls an der Bayerischen Staatsoper seinen ersten Lohengrin singen.

An der Wiener Staatsoper hat Jonas Kaufmann 2006 als Tamino debütiert. Mehr war seither nicht. Im April singt er in Massenets Manon gemeinsam mit Anna Netrebko — und gibt damit zugleich sein Rollendebüt als Des Grieux. „Die Wiener Staatsoper besitzt absoluten Olymp-Faktor“, freut sich Kaufmann darauf, der auch in der kommenden Saison ein paar Mal in Wien auftreten wird und bereits mit dem neuen Staatsopern-Team Dominique Meyer und Franz Welser-Möst verhandelt. „Aber für wirklich große Aufgaben, etwa Premieren, wird es noch etwas dauern.“ Den Loge im Rheingold im neuen Staatsopern-Ring hat er zurückgelegt. „Die Idee, ihn zu singen, stammte von Regisseur Sven-Eric Bechtolf und Dirigent Franz Welser-Möst. Es ist meine Schuld: Ich habe vor vier Jahren in meinem jugendlichen Leichtsinn zugesagt, weil ich glaubte, dies wäre mein Einstieg ins Wagner-Fach“, so der Sänger, der inzwischen bereits den Parsifal und den Stolzing gesungen hat. „Vor eineinhalb Jahren habe ich dann gebeten, mich aus der Produktion zu entlassen. Der Loge ist eine großartige Rolle, ein toller Charakter, aber für meine Stimme gibt es inzwischen andere Herausforderungen.“

Engagements über vier, fünf Jahre sind im Opernbetrieb heute üblich, eine Situation, die, wie man sieht, durchaus für Probleme sorgen kann. „Wir sind doch alle keine Hellseher“, meint Jonas Kaufmann dazu. „Man muss schauen, wohin die Stimme geht, wie sie sich entwickelt. Man fühlt sich wahnsinnig verplant. Aber man hält sich auch einen Teil der Termine frei. Denn vor allem in Italien, etwa an der Scala, ist es immer noch üblich, dass man kurzfristig für die kommende Saison angefragt wird.“

Bei so vielen Rollen, welche Wunschpartien bleiben einem da noch für die Zukunft? „Na ja, hunderte sind es nicht mehr“, so Kaufmann, der nach dem Des Grieux in Wien demnächst auch seinen ersten Werther auf der Bühne singen wird. Vorstellen könnte er sich auch den Roméo in Gounods Vertonung des Shakespeare-Klassikers oder vielleicht den Pelléas von Debussy. „Im italienischen Fach wird mir immer wieder der Otello angeboten. Das schmeichelt natürlich. Diese Rolle muss jedoch wirklich noch warten, denn bevor man keinen Riccardo im Maskenball oder den Manrico im Trovatore gesungen hat, braucht man nicht über den Otello reden! Ich hoffe jedenfalls, dass es schön Schritt für Schritt weitergeht. Aber natürlich, in Sachen Rollendebüts habe ich wahrscheinlich bereits viel mehr hinter als vor mir.
Stefan Musil






 
 
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