Financial Times Deutschland, 03.12.03
Dagmar Zurek
Die Entführung aus dem Ghetto
Gutes Opernpersonal gibt es wie Sand am Meer, Jonas Kaufmann gilt als Geheimtipp unter den "Mozart-Tenören"
Wenn sie in Rudeln auftreten nennen sie sich gerne "the ten Tenors" oder ähnlich. Andere wiederum scheffeln ihr Geld in Stadien als "die drei Tenöre". Einer singt nur im Duett mit seiner populären Gattin. Dann gibt es noch einen Tenor, der weltweit fast nur als "Rigoletto" Herzog auftritt, wenn er nicht gerade Schlager singt. Und zwei, drei wollen immer nur Othello sein. Ein weiterer ist DER Rossini Koloratur-Tenor schlechthin.

Viel weniger Wirbel macht die Musikbranche um die oft viel brillanteren, aber wesentlich bescheidener auftretenden, "Mozart Tenöre" wie zum Beispiel Jonas Kaufmann. Der passt nicht in die Hochglanz Marketing Strategien der Plattenfirmen. Und schon gar nicht auf den Typus jener vielbespöttelten dicklichen Tenöre mit weißem Schal und Meckerlachen, deren Leben nur von der Angst um die Tagesform bestimmt wird. Dabei hasst Kaufmann, der in diesem Monat auch als "Tamino" an der Komischen Oper in Berlin gastiert, nichts so sehr wie dieses Schubladendenken:

"Immer nur Mozart zu singen," sagt er "das wäre für mich so langweilig wie Tütenkleben."

Kaufmann, der in der Skandal Aufführung von "Die Entführung aus dem Serail" bei den Salzburger Festspielen mitwirkte, hält den Begriff "Mozart Tenor" für einen in der Bühnenerde "festgefahrenen Karren". Bei den Sopranen zum Beispiel lege man sich nie fest.

"Denken Sie an Mozarts Don Giovanni, da gibt es drei Sopranpartien. Die können sowohl von leichten, als auch von dramatischen Stimmen gesungen werden. Und keiner käme auf die Idee Anna Netrebko dabei als einen Mozart Sopran zu bezeichnen!"

Aber ist es stimmpflegemäßig nicht sehr ökonomisch mit all den schönen Mozart Rollen durch die Welt zu reisen, so wie es die Kollegen mit Verdi oder Rossini tun?

"Ja aber der Schuss geht nach hinten los. Man hemmt seinen Entwicklungsprozess gewaltig, wenn man sich nur auf wenige Rollen beschränkt. Natürlich gibt es einige Rollen, mit denen es sich als Sänger gut leben lässt, auch finanziell" glaubt Kaufmann, der in der sogenannten Provinz in Saarbrücken die "Ochsentour" absolvierte bevor er an die Opernhäuser nach München, Paris, Hamburg und Berlin engagiert wurde und schließlich 1999 zum ersten Male bei den Salzburger Festspielen auftrat.

Muss man als Sänger alles mitmachen was Regisseure sich so ausdenken?

"Natürlich diskutieren die Sänger mit den Regisseuren; wir sind ja schließlich keine Maschinen! Ein Sänger, der sich nicht mit den Subtexten eines Librettos beschäftigt, kann nur halbe Leistung bringen" sagt der in München geborene Künstler "ich denke es liegt an der Medienflut, wenn das Publikum heute nicht nur einer schönen Stimme lauschen will. Heute sucht man in der Oper eine Art Multimedia Event." Am wichtigsten jedoch ist noch immer die Stimme. Und die muss auch ein 4000 Zuschauer Haus wie die Met füllen können."

Auch für Jonas Kaufmann ist die New Yorker Metropolitan Opera inzwischen greifbar nahe. Dort wird er in der übernächsten Saison sein Debüt singen. Seriös bleiben und immer kleine Karriereschritte machen ist sein Motto. Denn:

"Man hat nur eine Stimme und mit der sollte man behutsam umgehen."

Demnächst ist Jonas Kaufmann als "Faust" in Berlin zu hören. Denn auch er will, wie alle lyrischen Tenöre, die expressiven Partien des sogenannten "französischen Fachs" präsentieren. Ab Donnerstag ist es soweit: Dann singt er in der Berliner Philharmonie die Titelpartie in "La Damnation de Faust" und wird dabei von den Berliner Philharmonikern begleitet. Zitat: "Heute sucht man in der Oper ein Multimedia Event": Jonas Kaufmann.






 
 
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