Die Welt, 20. Juli 2003
Von Martina Kausch
Blitzkarriere eines Tenors
Der Münchner Jonas Kaufmann singt nächste Woche erstmals in Salzburg
Pavarotti sah nie so gut aus, und so schöne dunkle Locken hatten weder Domingo noch Carreras jemals. Von Zeit zu Zeit wirft er die gepflegte Haarpracht mit einer Kopfbewegung gekonnt über die Schulter, und überhaupt: Wenn dieser Mann im lässigen dunklen Leinenanzug mit blütenweißem Hemd das Café am Münchner Marienplatz betritt, sind einige Blicke fällig.

Doch im Gespräch wird er ernst: Jonas Kaufmann, 34, ist Künstler. Einer, dessen internationale Karriere längst begonnen hat und dem völlig klar ist, welchen anspruchsvollen Weg er geht. Am 27. Juli steht er zum ersten Mal in großer Opernrolle dort, wo sich viele Kollegen hinträumen: Auf der Bühne der Salzburger Festspiele. Der gebürtige Münchner mit Eltern und vielen Freunden in der Isarmetropole ist der neue "Belmonte" in Mozarts "Entführung".

"Ich bin wahnsinnig froh, dass man trotz allem mit dem Hobby, mit dem man seine kindlichen Phantasien ausleben kann, Geld verdient", sagt Kaufmann und deutet damit an, dass es einige Schwierigkeiten gibt, die das Sängerleben einschränken.

Dabei hat Kaufmann bislang eine 1a-Karriere hingelegt. Gesungen habe er zwar gern, "aber eigentlich musste man mich am Gymnasium zum Musik-Leistungskurs überreden". Das tat dann ein Lehrer, der von der Stimmbegabung überzeugt war. So machte Kaufmann im Fach Gesang Abitur und erntete von seinem Zahnarzt glatt die Bemerkung: "Heutzutage kann man schon mit Stricken sein Abitur absolvieren."

Nach einem Semester Mathematikstudium ging ihm auf, dass "dieses Über-Problemen-Grübeln nicht meine Sache ist", ließ sich zur Aufnahmeprüfung an der Münchner Musikhochschule überreden, legte dort ein brillantes Abschlussexamen hin und ging mit 25 Jahren zum ersten Engagement ans Staatstheater Saarbrücken.

Dort folgte die harte Zeit an einer kleinen Bühne. "Ich habe in zwei Jahren 15 Partien gesungen, das bedeutet, jeden Tag acht Stunden singen! Das ist ein Riesenunterschied zur Hochschule, dort hat man zweimal in der Woche eine Stunde Unterricht."

Zwar hatte er im letzten Studienjahr schon "Kleinkram an der Staatsoper" gesungen, und Operette: Eine legendäre "Nacht in Venedig" in Regensburg zum Beispiel. Aber mit dem Berufsalltag kam die Krise: Kaufmann spürte, dass die ausschließlich lyrische Seite der Stimme nicht mehr entsprach. "Meine Rettung war ein neuer Lehrer, der mir sagte: ,Du hast nicht Erwartungen zu erfüllen, sondern deine Natur"". Mit ihm entwickelte er jenes Gespür für seine Stimme, das ihm heute so wichtig ist, und das er hegt und pflegt: "Man muss der Stimme hundertprozentig vertrauen können."

Diese Sensibilität ist auch die Grundlage der großen Pläne, die Jonas Kaufmann hat und mit denen er sich für die kommenden Jahre rüstet: "Man muss sich Ziele setzen, um seinen Ehrgeiz zu erhalten. Es wäre für mich zu langweilig, ein Leben lang nur eine Hand voll Partien zu singen." Hoffmann, Werther, Don José sind Rollen, die ihn jenseits von Mozart locken und den Weg ins dramatische Fach bereiten.

Denn Kaufmann weiß, was der Musikmarkt fordert: Heldentenöre sind Mangelware, und wer erst einmal das "Siegfried-Image" weg hat, wird für virtuose Monteverdi-Töne nicht mehr engagiert. "Doch gerade Monteverdi ist für die Stimme die Feineinstellung", so Kaufmann. Im Übrigen verlässt er sich auf seine Lehrerin, die selbst angehende Wagner-Tenöre vorsichtig behandelt. Beim Studium von Beethovens "Florestan"-Partie testete sie die Stimme und ließ ihn die schwierigste Arie acht Mal singen. "Als ich dann immer noch nicht heiser war, hat sie seufzend gemeint: Ich fürchte, das musst du mal singen.""

Zu hören ist dieses Rollendebüt nun 2004 in Zürich. Dort lebt Kaufmann mit Ehefrau und "leider nur als Teilzeitvater" einer fünfjährigen Tochter und bald eines Festspiel-Babys, das im August geboren werden soll.






 
 
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