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Deutschlandfunk, 30.3.2014
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Von Klaus Gehrke |
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Einmal romantisch, einmal historisch |
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Text einer Rundfunksendung, Ausschnitt,
nur über Jonas Kaufmanns Winterreise CD |
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Zwei
Neuaufnahmen von Franz Schuberts Winterreise zeigen die interpretatorischen
Möglichkeiten, die dieser romantische Liederzyklus bietet. Während Jonas
Kaufmann eine klangvolle Eigeninterpretation wagt, überzeugt Jan Kobow mit
seinem Klavierpartner bei der historischen Aufführungspraxis.
Musik:
Schubert, Winterreise, Der Lindenbaum (Kaufmann)
Düster, fahl,
bedrückend und von Schmerz und Todessehnsucht durchdrungen: So präsentieren
sich die 24 Lieder der 'Winterreise' D 911. Für die Vertonungen von Texten
des drei Jahre älteren Dichters Wilhelm Müller wählte Schubert überwiegend
Molltonarten aus; aber auch die wenigen Lieder in Dur bedeuten kein Licht in
der Düsternis der Ausweglosigkeit; selbst im berühmten ‚Lindenbaum‘ dienen
die sanften Klänge lediglich der Erinnerung an vergangene Zeiten.
Dem
renommierten Operntenor und seit einiger Zeit auch Liedinterpreten Jonas
Kaufmann wäre eher die Kapuze als ein Hut vom Kopf geflogen: denn mit einer
solchen präsentiert er sich auf dem Cover seiner neuen CD; der Blick des
wanderermäßig Gekleideten mit Dreitagebart schweift gedankenverloren in die
Ferne. Sinnigerweise befindet sich auch der weiße Schattenriss einer Krähe
auf dem Bild; denn dieser Vogel spielt in Schuberts Liederzyklus eine
gewisse Rolle.
Musik: Schubert, Winterreise, Die Krähe (Kaufmann)
Schubert komponierte die 'Winterreise' im Jahr 1827, die erste Hälfte im
Februar, die zweite im Oktober, für Singstimme und Pianoforte. Dieser
Vorläufer des modernen Konzertflügels rückte 1997 erstmals in den Blickpunkt
des interpretatorischen Interesses: damals sorgten Christoph Prégardien und
Andreas Staier mit ihrer historisch informierten Einspielung für Aufsehen.
Diesem Beispiel folgen nun auch Jan Kobow und Christoph Hammer, der den
Tenor auf einem Fortepiano aus dem Jahr 1810 begleitet.
Musik:
Schubert, Winterreise, Gute Nacht (Kaufmann)
Im Vergleich zum
baritonal eingefärbten Tenor Kaufmanns fällt Kobows Stimme durch eine
gewisse strahlende Helligkeit auf, was aber möglicherweise am Aufnahmeort,
einem Saal des mittelfränkischen Schlosses Seehaus, liegt. Er interpretiert
Schuberts Lieder sehr schlicht und mit sehr sparsamer Deklamation. Jonas
Kaufmann dagegen betrachtet sie mehr aus dem romantischen Blickwinkel,
verzichtet allerdings auf allzu vordergründige Dramatik und Schwülstigkeit,
wie beispielsweise im 'Frühlingstraum'.
Musik: Schubert, Winterreise,
Frühlingstraum (Kaufmann)
Im Gegensatz zu vielen anderen seiner
Lieder feilte Schubert fast bis zuletzt an der 'Winterreise' und hatte
offensichtlich genaue Vorstellungen davon, wie der Zyklus zu singen sei.
Doch während Spaun beschreibt, wie der Komponist mit 'bewegter Stimme' die
Lieder vortrug, hat er laut Leopold von Sonnleithner eine Dramatisierung der
‚Winterreise‘ durch ein hohes Maß an Deklamation und heftige
Ausdrucksgebärden strikt abgelehnt. Hier die richtige Balance zu finden ist
nach wie vor nicht einfach. Sowohl Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch als
auch Jan Kobow und Christoph Hammer versuchen eine Annäherung – und kommen
zu ganz unterschiedlichen, aber in sich schlüssigen Ergebnissen.
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