RP, 28. Februar 2014
Von Wolfram Goertz
 
Eine durchwachsene "Winterreise"
Der Tenor Jonas Kaufmann singt Franz Schubert und zeigt Stärken und Mängel.
Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass Jonas Kaufmann zu den großen Tenören der Gegenwart zählt. In unterschiedlichsten Partien hat er seine Kompetenz bewiesen, als Don José in Bizets "Carmen", als Lohengrin bei Wagner, letztens in Verdis "Requiem" unter Daniel Barenboim aus der Mailänder Scala. Soeben muss er an der New Yorker Metropolitan Opera als Massenets Werther phänomenal eingeschlagen sein; der Wiener "Kurier" jubelt in seiner Online-Ausgabe: Es sei "zum Heulen schön" gewesen.

Bleiben wir in Österreich: Jetzt kam Kaufmanns Debüt als Liedsänger auf Platte heraus – ausgerechnet mit dem Endzeitzyklus schlechthin, der "Winterreise" von Franz Schubert. Dieses 24 Lieder umfassende Opus summum Schuberts zählt mitnichten zum Portfolio eines Opernsängers, viele Künstler haben nicht grundlos sehr großen Respekt vor einem exponierten Fachwechsel. Kaufmann traut ihn sich zu. Das spricht für ihn. Trotzdem ist die Platte eine Enttäuschung.

Es geht nicht darum, dass Kaufmann beim Kunstlied sein heldisches Format verkleinern müsste und das nicht schafft. Er will alles richtig machen, will deutlich deklamieren, will die Balance zwischen Intimität und Ausbruch finden. Und Kaufmann ist ein intelligenter Sänger, der genau weiß, wovon er spricht und singt. Er kann Euphorie und Resignation großartig andeuten. Er denkt nicht zu groß fürs Lied.

Aber die Mängel beginnen damit, dass die Stimme zu wenig beweglich ist. Sie ist an den entscheidenden Stellen zu schwer, zu wenig elastisch. Kaufmanns Timbre ist nicht dasjenige eines lyrischen Tenors, es sitzt da auch manches fest und kompakt im Halse, obschon sich die Stimme an manchen Stellen großartig öffnet ("Erstarrung"). Aber schon Takte später funktioniert die Rücknahme ins Piano nur ungenügend. Da knödelt es herb. Man kann sagen: Die Stimme freut sich, wenn sie laut singen darf. Und sie krümmt sich in Schmerzen, wenn's ins Piano zurückgeht.

Es ist dann auch so, dass der Tonmeister manchmal auf den Ohren gesessen hat. Es gibt zwar in der Intonation kaum Mängel, aber die Vokalverfärbungen sind zum Teil beträchtlich. Wenn das Wort "Gefährte" kommt, klingt er eher nach "Gefohrte" (oder so ähnlich).

Es ist auch bedauerlich, wie konsequent ein gewiefter Begleiter wie Helmut Deutsch seinen Klavierpart in eine mausgraue Angelegenheit verwandelt. Es scheint, als ob die Gegenwart des berühmten Tenors Deutsch zur Demut erzieht. Die finstere Dimension jener "Erstarrung" kommt bei Deutsch nicht heraus. Das Klavier als Dekoration.








 
 
  www.jkaufmann.info back top