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Opernglas, März 2014
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M. Wilks |
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Jonas Kaufmann - Winterreise |
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Mit
seiner neuesten CD untermauert Jonas Kaufmann ein weiteres Mal mit Können,
dass er zu den besten Sängern der Gegenwart gehört. Diese Einschätzung ist
nicht selbstverständlich, denn ein erfolgreicher, überall begehrter
Opernsänger muss noch lange kein guter Liedersänger sein. Jonas Kaufmann hat
sich jedoch parallel zur Opernkarriere regelmäßig mit dem Kunstlied
beschäftigt, was man in Sachen dynamischer Gestaltung auch seinen
Bühnenpartien anmerkt. Für Schuberts »Winterreise« besitzt er ideale
Voraussetzungen, weil seine dunkle, klangvolle Stimme individuell timbriert
und technisch absolut sattelfest ist. Der Tenor kann damit gewissenhaft
gestalten und mit seinem Organ bestimmen, wie Töne zu klingen haben, und
muss nicht etwa die Interpretation aus den eigenen gesangstechnischen
Möglichkeiten her begrenzen. Beispielsweiseversteht er es, den baritonalen
Klang seiner Stimme bis in die höhere Lage hochzuziehen und nicht zu sehr in
die Kopfstimme oder ins Forte gehen zu müssen. Dadurch gewinnt sein Tenor an
Variationsmöglichkeiten und gibt bereits im ersten Lied („Gute Nacht") den
hohen Tönen besondere „matte" Farben, die die Zerrissenheit des Erzählers
und die Todesaspekte des Werkes hervorragend widerspiegeln. Aber er
gestaltet auch mit schlackenloser, leichter Kopfstimme und gewinnt in
solchen Momenten einen schlichten Erzähler-ton. Grundsätzlich aber ist Jonas
Kaufmann ein abwechslungsreich singender Erzähler, der den Hörer in den Bann
ziehen kann.
Als Essenz seiner LiedgesangsKunst kann der
„Frühlingstraum" gelten, den der Sänger volksliedhaft beginnt, dann
dramatisch aufheizt und starke Kontraste zeichnet. Grundsätzlich betont er
mit langen, in bestes Legato getauchten Phrasen (beispielsweise im
„Rückblick"), dass Klang und Melodie im Vordergrund stehen und einzelne
Worte oder Kommata den Fluss nicht zu stören haben. Gleichwohl gestaltet er
unterdieser Prämisse vorzüglich und gefällt mit natürlicher, deutlicher
Diktion sowie einem durchaus geschmackvoll gerolltem „r". Zu vernachlässigen
ist nicht die Bedeutung des Pianisten Helmut Deutsch, der mit seinem
ehemaligen Schüler ein perfektes Team bildet. Er gibt dem Sänger Freiheiten
und gestaltet selbst mit deutlicher Artikulation, Agogik und Rubato
individuell —exemplarisch sei der Umgang mit „ungeraden Notenwerten" wie den
punktierten Noten und Triolen in der „Wasserflut" erwähnt. Ab Ende März wird
man Kaufmann auf einer Europatournee mit eben der »Winterreise« erleben
können und sich vorab oder stattdessen (das einzige Deutschlandkonzert ist
in Berlin) mit der CD darauf einstimmen können.
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