Abendzeitung, 18.2.2013
Robert Braunmüller
 
Mein lieber Schwan
„Am stillen Herd, zur Winterszeit“: Die neuen Arienplatten der Tenöre Jonas Kaufmann und Klaus Florian Vogt eröffnen das Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag von Richard Wagner.
 
Zuerst einmal: Freuen wir uns, dass es nach langen, dürren und heldentenorlosen Jahren wieder zwei deutsche Kraftkerle gibt, über die sich zu streiten lohnt: Klaus Florian Vogt und Jonas Kaufmann. Beide haben fast gleichzeitig eine Wagner-Platte herausgebracht, und dass sich die Stücke teilweise überschneiden, zwingt den Vergleich geradezu herbei.

Vogt, ein Holsteiner und ehemaliger Hornist der Hamburger Oper, hatte 2002 als Lohengrin am Theater Erfurt seinen Durchbruch. Seine hohe, etwas körperlose, silberne Stimme passt sehr gut zu der Figur des Schwanenritters. Schöner als er singt derzeit keiner den ätherischen Auftritt „Mein lieber Schwan“.

Kaufmann, man weiß es von seinen Auftritten an der Staatsoper, macht durch Kunstfertigkeit wett, was ihm an Stimmfarbe zum Lohengrin fehlt. Auf der Platte singt er die von Wagner gestrichene zweite Strophe zur Gralserzählung mit einer leichten Tendenz zur Selbstverliebtheit. Viel besser harmoniert seine baritonal-dunkle Stimme mit den schweren Helden Wagners wie Siegmund und Tannhäuser, dessen Romerzählung das Glanzstück von Kaufmanns CD bildet.

Auch Vogt hat als Siegmund seine Meriten. Wenn man gleich danach die Urgewalt von Kaufmanns Stimme bei „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ empfunden hat, löscht das den grundsoliden Eindruck seines Kollegen allerdings restlos aus dem Gedächtnis. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Stolzing aus den „Meistersingern“. Komplett wird Kaufmann diese Rolle, die von schweren Helden gemieden wird, wohl nicht singen. Vogt ist da auf der Bühne derzeit konkurrenzlos, aber die Platte beweist, dass das Auge mithört. Der Holsteiner buchstabiert „Am stillen Herd“ seltsam unbeteiligt, während Kaufmann das Draufgängerische der Figur vorführt und insgesamt mit kultiviertem, italienisch geschultem Legato für ein Mehr an Genuss sorgt.

Vergleichsweise schwach ist der Münchner in Rienzis Gebet, das er auf Kosten der edlen Kantilene dehnt. Vogt ist da besser, und noch überzeugender gelingt ihm die stets unterschätzte, hier mit Geschmack gemeisterte Cavatine des Erik. Eher grenzwertig ist dagegen die Sterbeszene Siegfrieds, bei der die Ausdrucksdefizite des Norddeutschen ohrenfällig werden. Mit musikalischem Naturburschentum kommt man da nicht weit, obwohl seine Stimme dunkle Schattierungen hinzugewonnen hat.

Beide Tenöre haben exzellente Partner: Bei Vogt sind es die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott, Kaufmann wird von dem bisweilen etwas zu nachgiebigen Donald Runnicles und dem Orchester der Deutschen Oper Berlin begleitet.

Die Überraschung gelingt aber doch Kaufmann: Wer hätte gedacht, dass die nun wirklich nicht einem Mann ihn die Kehle geschriebenen Wesendonck-Lieder in Felix Mottls Orchesterbearbeitung so gut funktionieren? Der Sänger nimmt sich hier zurück und zeigt, dass er bei allem, was gegen sein Abdunkeln der Vokale und das gelegentliche Quetschen von Tönen eingewendet werden kann, einfach der bessere Stilist ist.






 
 
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