Der Opernfreund, 16.2.2013
Ingrid Wanja
 
Schöner geht’s nicht

Nicht die pure Länge, sondern die schmerzliche Intensität macht die Wirkung eines „Wälse“-Rufes auf den Zuhörer aus, und von beidem hat Jonas Kaufmann auf seiner gestern erschienenen „Wagner“-CD die Überfülle zu bieten, so daß man das schrecklich-schöne Cover auch als akustischen Eindruck empfängt. Nicht als reiner Kraftakt, sondern als die Essenz einer tragischen Existenz erscheinen sie und geben dem dämonischen Portraitfoto seine Legitimität. Tracks, die lang genug sind, um vor dem Hörer eine Figur erstehen zu lassen, einschließlich langer Vor- oder Nachspiele machen aus der CD mehr als ein Potpourri „schöner Stellen“, und erstaunlich ist es, wie der Sänger bei unverwechselbar bleibendem Timbre jeder der Gestalten ein ganz persönliches Kolorit verleihen kann. So liegt in „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ in der Stimme all das, was Siegmund sich als Wehwalt bezeichnen läßt, wird die Grundfarbe der Situation gerecht und läßt doch Schattierungen zwischen „gold’ner“ und „lichtloser Glut“ zu, klingt verhangen in „nächtiges Dunkel“ und läßt sich auf „Herz“ zu äußerster Zartheit zurücknehmen. Das alles mit bester Diktion und so gut von keiner Spur der einstigen Schwäche mehr, in zwei unterschiedlich klingenden Registern zu singen. Nur ganz selten rutscht ein Ton ein wenig zurück, was den Gesamteindruck nicht beeinträchtigt.

Für das Waldweben hat Kaufmann zwar nicht eine Jünglingsstimme, aber sonst alles, was den knabenhaften Siegfried ausmacht: den nachdenklichen Parlandoton, ein helles „lustiger Tag“, einen herrlichen Schwellton zum schmerzlichen Aufschrei für „Mutter“.

Rienzis Gebet läßt die Erfahrung mit italienischen Partien hören, wird schön aus dem Piano entwickelt und am Schluß in die Piano-Intimität zurückgeführt. Die Phrasierung ist äußerst generös, und „Hoheit“, „Glanz“ und „Majestät“ erstrahlen gerade wegen der sonstigen Zurückhaltung besonders kraft- und eindrucksvoll. Feine Rubati wie auf „erstreckt“ fallen als besonders raffiniert auf.

Tannhäusers Romerzählung wird man auf der Bühne auch von Jonas Kaufmann nie so perfekt hören wie auf dieser CD, denn sie steht am Ende eines den Sänger bereits erschöpft habenden Abends. Umso mehr freut man sich, hier eine Stimme zu hören, die nicht kämpfen muß, sondern frisch gestalten kann. Und das tut Kaufmann auf wunderbare Weise im Wechsel zwischen dramatischer Erzählung, lyrischer Emphase und orgiastischer Steigerung in der Beschwörung von Frau Venus. Schonungslos wird „da ekelte mich der holde Sang“, schneidend die Verdammung durch den Papst gesungen - und Markus Brück ist der schönstimmige Partner Wolfram. Das plötzliche Ende vor dem Auftreten der Venus empfindet der Hörer als ein recht abruptes.

Für Stolzing hat der Tenor durchaus noch den jugendlichen Jubelton mit strahlender Höhe, für Lohengrin, von dessen Gralserzählung er auch die von Wagner selbst gestrichene zweite Strophe singt, die extreme Dynamik zwischen einer ganz zarten „Taube“ und einem leuchtenden „Gral“. Gern hätte man auch die Wiederholung von „und bei dem Ringe sollt ihr mein gedenken“ gehört, aber das wäre vielleicht schon zu viel des Glücks gewesen.

Die große Überraschung sind die Wesendonck-Lieder, die Kaufmann, so wie eine weibliche Stimme die „Winterreise“, auch für sich in Anspruch nehmen zu können glaubt-und das zu Recht.Viel Schönes und Neues gibt es auch hier zu entdecken, so die raffinierten Rubati, das hörbar gemachte „Sanft gen Himmel hebt“ in „Der Engel“, die zunehmende Verinnerlichung von „Auge“ über „Seele“ zu „Wesen“ im Lied „Stehe still!“. Der Gegensatz in „schwere Tropfen schweben“ wird durch die Führung der Stimme ebenso hörbar gemacht wie die duftgeschwängerte Atmosphäre des tristannahen „Im Treibhaus“. Heldentenorqualitäten kann der Sänger noch einmal in „Schmerzen“ zeigen, während in „Träume“ deren unterschiedliche Art fein differenziert zu Gehör kommt, die Pause zwischen „und dann“ und „sinken in die Gruft“ die Wichtigkeit solchen Innehaltens demonstriert.

Donald Runnicles und das Orchester der Deutschen Oper Berlin sind erfahrene Wagner-Interpreten und dem Tenor hochkompetente und eindrucksvolle Begleiter.

Das ist eine CD, die man sicherlich nicht nur einmal hören wird.






 
 
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