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Musik & Theater, Schweiz,
Dezember 2010 |
Tobias Gerosa |
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die enttäuschung |
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Eine
Enttäuschung kann auf hohem Niveau erfolgen wie bei Jonas Kaufmanns
neuer CD mit Versimo-Arien, die ganz starke Momente hat. Immer wieder in
brillanten Schlusstönen etwa, aber auch im Spannungsaufbau von Cileas
«Lamento di Federico», im rhetorischen Beginn von «Vesti la giubba» oder
wenn statt naturalistisch zu outrieren kleine Vorhalte eingebaut werden.
Aber dann schleichen sich plötzlich geschlossene Vokale ein, wo sie
eindeutig offen sein müssten, werden Vokale undefinierbar («Reedi (!)
pagliaccio») oder springen von ganz hinten in der Kehle fast gellend
ganz nach vorne in die Maske. Überhaupt der Stimmsitz: Bei Kaufmann
scheiden sich die Geister schon lange, ob sein Timbre zu gaumig und
abgedeckt sei oder nicht. Die Verismo-CD gibt dieser Diskussion
Auftrieb, weil sie immer wieder uneinheitliche Linien dokumentiert und
einzelne abgekoppelte Töne. Dazu kommt ein Piano, das unterdessen rasch
hauchig klingt und viel an Glanz verliert. Auf seiner ersten CD mit
Strauss-Liedern (stimmlich auch nicht alles Leichtgewichte!) war davon
nichts zu hören. Kaufmanns Figuren überzeugen, weil er ihnen auch in den
Ausschnitten durchaus individuelles Profil zu geben versteht. Anders als
auf diversen Arien-CDs hat der Star mit Antonio Pappano, der Accademia
Nazionale di Santa Cecilia und Eva-Maria Westbrook befeuernde Partner.
Für die Bühne sind das ideale Voraussetzungen. Aber auf der CD, wo die
Stimme gleichsam unter dem Mikroskop liegt, fallen stimmlichen Mätzchen
und technischen Mängel stärker ins Gewicht. Und sie bestätigen die
Befürchtungen, dass bei Kaufmann trotz allen gegenteiligen Beteuerungen
einiges zu schnell geht. |
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