Stereoplay 12/2010
Klaus Leymann
 
So und nicht anders
 

Jonas Kaufmann, Verismo Arias
Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Antonio Pappano (2010)

Schon die Dramaturgie dieses Recitals ist perfekt. Als Appetizer hören wir, wie Romeo in einer vergessenen Oper von Riccardo Zandonai den Tod Julias betrauert. Ein intensives Stück, eine beeindruckende Synthese aus Wort und Melos und Orchesterbegleitung. Jonas Kaufmann, anders als die meisten Tenöre, singt und gestaltet die Verismo-Szenen strikt mit musikalischen Mitteln. Er verzichtet auf Seufzer und Schluchzer, bricht nicht in Tränen aus und er verwandelt den Schmerz seiner Helden nicht in pompöses Gebrüll. Zandonais Musik, dermaßen ernst genommen, wird zu einer veritablen Entdeckung, wie später auch das kleine Lied von Licinio Refice, „Ombra di nube".

Umberto Giordanos RevolutionsOper „Andrea Chenier" enthält einige Teststrecken für jeden Verismo-Tenor. Der erste Monolog, „Un di all'azzurro spazio", verlangt alles: Innigkeit, Enthusiasmus, glühenden Hass, dann die Beiläufigkeit einer Erzählung und zuletzt eine strahlende Hymne an die Liebe. In knapp fünf Minuten offenbart Jonas Kaufmann, dass das Spektrum seiner Klangfarben unerschöpflich ist, dass man ein wundervolles Legato singen und zugleich den Sinn der gesungenen Worte vermitteln kann, dass ein prachtvolles Forte eine Stimme nicht gefährden muss und dass ein strömendes, grandios beherrschtes Piano die Fülle der Wunder noch einmal steigert. Den Monolog aus Francesco Cileas „L'Arlesiana" singt Kaufmann ätherisch schön; in „I Pagliacci" verwandelt er die Musik in glühendes Leid, in „Adriana Lecouvreur" und „La Gioconda" erleben wir ihn ein weiteres Mal als lyrischen Klangzauberer - nicht anders als in Boitos „Mefistofele" und Giordanos „Fedora". Wer macht ihm das nach? Derzeit vermutlich niemand. Kaufmanns herrlich dunkle, zunehmend gewichtiger (aber nicht unflexibel) werdende Stimme hat über Verdi, Bizet, Massenet und Puccini längst zu Wagner gefunden. Nach dem Lohengrin, den er triumphal in München und Bayreuth gesungen hat, steht sein Rollendebüt als Siegmund in der „Walküre" auf dem Terminplan (Metropolitan Opera, April 2011). Eine logische Entwicklung. Und zum Glück keine Einbahnstraße.

Während andere beim Verismo an ihre Grenzen stoßen, ist dieses Fach für Jonas Kaufmann zum quasi-natürlichen Terrain geworden, seine Intelligenz, seine Musikalität und sein emotionales Engagement unter Beweis zu stellen. Er tut das mit beispielloser Hingabe. Und er macht keine Show, er meint es ernst.
Unerschöpfliches Spektrum an Klangfarben: Tenor Jonas Kaufmann






 
 
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