Nach monatelanger Promotion ist sie nun endlich da, diese CD, nach der
einem schon „das Mündchen wässerte“. - Um Gefühle geht es, große Dramen
im Inneren des Menschen.
- Jonas Kaufmann selbst meint über
dieses Repertoire, das dem Darsteller Herzblut abverlangt: „Beim
Verismo geht es nur um Seele und Leidenschaft, doch gerade das liebe ich
so daran“. „Diese Arien sind mit Gefühlen aufgeladen, die einen zu
Tränen rühren können. Ich habe das Album mit deutschen Arien
aufgenommen, weil in der Musik und in den Charakteren so viel geschieht.
Aber die enthusiastischste Musik – die ekstatischste Musik – ist die des
Verismo“.
Die Ära bietet außerdem immer noch Überraschungen. So
finden sich auf „Verismo Arias“ auf der einen Seite die Klassiker der
Epoche, der Canio aus dem „Bajazzo“, der Faust aus Boitos „Mefistofele“,
der Andrea aus Giordanos „Andrea Chenier“ oder auch Turiddu aus der
„Cavalleria Rusticana“. Darüber hinaus aber singt Jonas Kaufmann den
Marcello aus Leoncavallos alternativer „La Bohème“ oder auch eine Arie
des Romeo in Zandonais „Giuletta e Romeo“, die für ihn selbst zu einer
der bewegendsten des ganzen Programms wurde: „Ich glaube nicht, dass man
noch mehr Emotion in Musik packen kann. Romeo trauert um Giulietta, aber
auf eine schockierend realistische Weise. Wenn man ihm zuhört, ist das,
als würde man in jemandes Privatleben herumschnüffeln“.
Diese
Intensität zu erreichen, ist zum einen das Verdienst des Interpreten,
aber auch Resultat der produktiven Kooperation von Jonas Kaufmann mit
dem hervorragenden Orchester der Accademia Nationale Di Santa Cecilia
unter der Leitung von Antonio Pappano. (Qu: tw. Booklet)
Der
derzeit vermutlich aufregendste Tenor unserer Zeit (bei wem passt sonst
alles so super zusammen), einer der besten, ja vielleicht der beste
derzeitige Operndirigent und eines der versiertesten Opern-Orchester von
jeher – da sollte ja gar nichts schief gehen können. Ist es auch nicht,
bis auf eine Arie vielleicht, zu der kommen wir noch. Kaufmann stürzt
sich mit full Power in diese „Reißer“. Am aufregendsten gelingt so
Canios „Recitar“ (erinnert deutlich an del Monaco), mit dem so heftig
geworben wurde und Zandonais Romeo, den Kaufmann auf jeden Fall mit auf
die berühmte einsame Insel nehmen würde, wie er sagte.
In vier
Tagen wurden alle diese kraftraubenden Emotionsbomben im März in Rom
aufgenommen. Vielleicht wurde „Cielo e mar“ am letzten Tag aufgenommen,
denn hier wirkt unser Star ein kleines Bisschen k.o.. Nun demonstriert
Kaufmann ja neben seinem umwerfenden Höhenstrahl auch sehr gerne, wie
gut er sich in Piano und Voix mixte stimmlich bewegen kann. Ab und an
besteht dabei die Gefahr etwas zu viel des Guten zu tun und in
Manierismus abzurutschen. Bei aller Herrlichkeit, bei Ciléas „La
dolcissime effigie“ ist es dann passiert – zu viel Kunst, ja
Künstlichkeit. Man höre sich zum Vergleich die kaum je wieder erreichte
Referenzaufnahme dieser Arie auf Domingos allererster LP (mehrfach
wiederaufgelegt als CD) an, dann wird man verstehen, was gemeint ist.
Kaufmann hätte man es zugetraut, dass er dieser Aufnahme sehr nahe
kommen könnte, aber leider ließ sowohl er als auch Pappano den großen
Bogen ausgerechnet bei dieser herrlichen Arie nicht frei genug fließen;
ja, die Übergänge werden regelrecht zerdehnt – merkwürd’ger Fall ...
Nun sollen ja Ergänzungssänger den eigentlichen Star nicht übertrumpfen,
was Eva-Maria Westbroek als Madeleine im Andrea-Chenier-Finale auch
nicht gelingt. Zuviel Unruhe in der Mittellage stört den insgesamt
ordentlichen Eindruck. Aber auf der Bühne wünschte man sich doch eine
wirklich ebenbürtige Partnerin für Kaufmann, dessen Chenier man nach
diesen Szenen (bes. die beiden Arien!) lüstern entgegen hechelt.
Echter Verismo = Oper, dass die Fetzen fliegen. Mit Kaufmann wird man’s
erleben können, sofern ihn die Regisseure lassen ... D. Zweipfennig
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