Stereoplay, 11/2013
Attila Csampai
 
Black is beautiful
 
Totgeglaubte leben nicht selten etwas länger. Und mitunter setzen sie sich sogar an die Spitze des Zuges: Die wundersame Wiedergeburt der guten alten LP und ihrer Rituale lässt sich wohl lediglich mit der Renaissance der mechanischen Uhren vergleichen, meint Attila Csampai. Er hat aus dem aktuellen Vinyl-Angebot ein paar leckere Rosinen herausgepickt.

Die absoluten Verkaufszahlen liegen zwar noch unter zwei Prozent des Gesamtvolumens an Tonträgerverkäufen, doch immer mehr Labels erkennen die Extravaganz, die besondere Haptik und vor allem auch die akustische Überlegenheit der schwarzen Scheibe und positionieren sie als high-endiges Aushängeschild über ihrem breitgefächerten Angebot an Digitalformaten. Das heißt, dass die LP nach 25 Jahren endlich aus der „Schattenexistenz" eines reinen Museumsformats heraustritt und sich wieder ins aktuelle Musikleben einmischt. So haben mittlerweile auch die Major Companies ihre Vorbehalte gegen solche „Nischenprodukte" abgelegt und gehen mit Vinyl in die Offensive: Bei Sony genießen LPs seit Kurzem sogar eine Art VIP-Status: Topstars wie Lang Lang oder Top-Events wie das „Wiener Neujahrskonzert" werden da mehrgleisig angeboten: als Download, als CD und in limitierten Auflagen auch auf schwerem 180-Gramm-Vinyl.

Das neueste Paradebeispiel dieser exklusiven Vinyl-Offensive ist das aktuelle „Verdi-Album" des deutschen Startenors Jonas Kaufmann, der mit diesem Doppelalbum auch seinen Einstand bei seinem neuen Label Sony feiert. Dieses im März 2013 in Parma produzierte Verdi-Debüt des weltweit gefeierten Münchners ist musikalisch eine Sensation — aber nicht bezüglich tenoraler Stimmakrobatik, sondern im Hinblick auf technische Perfektion, gestalterische Intelligenz und vokale Charakterisierungskunst.

In dreizehn klug ausgewählten Szenen aus elf Verdi-Opern gewährt Kaufmann hoch differenzierte und wirklich bewegende Einblicke in das komplexe Seelenleben der meist tragisch scheiternden Tenöre Verdis und erweist sich so als sehr seriöser, dem Werk und den Menschenbildern Verdis verpflichteter Künstler. Welcher Tenor von Rang hat schon den Mut, etwa den Schluss der Auftrittsarie des Radames (in „Aida") im vorgeschriebenen pianissimo morendo verhauchen zu lassen — und dies ist nur ein Beispiel seiner souveränen Werktreue.

Kaufmanns betörender Farbenreichtum, seine dynamische Schattierungskunst, seine bis ins feinste Detail gestaltete und kontrollierte Präzision, sein wunderbar dunkles Timbre — all dies fügt sich zu einem neuen intelligenten und suggestiven Profil, das alle Klischees vom schmachtenden „Verdi-Tenor" weit hinter sich lässt und sich wieder an den anspruchsvollen Opernfreund wendet. Kaum zu glauben, dass er die meisten seiner faszinierenden Kurzportraits hier zum ersten Mal vorstellt und noch nie auf der Bühne gesungen hat. So nützt er die Vorteile des Mediums Schallplatte auch zu einem großen Versprechen — als betörenden Vorgeschmack seiner zukünftigen Bühnenrollen. Die Messlatte ist hoch und Vinyl das adäquate Medium: Die Analogversion klingt auf alle Fälle noch einen Tick trockener, haptischer, entspannter als die ebenfalls ziemlich gut fokussierte CD-Pressung.












 
 
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