Fono Forum, 11/2020
Johannes Schmitz
 
Selige Stunde
 
Den Corona-Lockdown haben Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch dazu genutzt, im privaten Raum eine Aufnahme zu machen. Die Auswahl vereint viele der bekanntesten Kunstlieder in deutscher Sprache bzw. Übersetzung. Beethovens „Zärtliche Liebe", Silchers „Ärmchen von Tharau", Griegs „Ich liebe dich", Liszts „Es muss ein Wunderbares sein", Tschaikowskys „Nur wer die Sehnsucht kennt", Brahms' ,Wiegenlied" usw.

Es steht einem Jahrhundertsänger wie Jonas Kaufmann zu, ein solches Programm von Evergreens einzusingen. Seine Sprachbehandlung qualifiziert ihn dazu besonders. Jedes Wort ist verständlich. Und das nicht nur phonetisch, sondern auch als klangliche Synthese des Wort-Ton-Verhältnisses. Der prächtige Grundsound von Kaufmanns Stimme gibt getragenen Liedern wie Bohms „Still wie die Nacht" oder auch der „Zueignung" von Richard Strauss die nötige Fülle. Was seinem mächtigen Organ an Schmelz fehlt, gleich er durch den mannigfaltigen Farbenreichtum seines Singens aus. So gelingen ihm auch Schmonzetten wie „In mir klingt ein Lied" nach Chopins Etüde. Und weil Kaufmann auch feinster dynamischer Abstufungen fähig ist, kann dieser Heldentenor sogar Hugo Wolf singen. Mit „Selige Stunde" von Alexander von Zemlinsky nimmt er ein nicht im Repertoire verwurzeltes Lied in seine Auswahl auf.

Dass dieses Album dennoch nicht völlig glücklich macht, mag an jenem Hauch Sprödigkeit liegen, der seinen Gesang andererseits so zeitgemäß erscheinen lässt — ohne Träne im Knopfloch, ohne sentimentales Timbre, ohne seufzendes Portamento, sondern von einfacher Größe. Männlich aufrichtig auch im Liebesweh, gerade heraus im Berichtston. Helmut Deutsch ist der gewohnt ausgewogen-klare Begleiter.
























 
 
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