Oe1, ORF, 12.06.2009
Chris Tina Tengel
 
Jonas Kaufmann: "Sehnsucht"
 
Mozart, Schubert, Beethoven, Wagner
Jonas Kaufmann ist "der" Tenor der Stunde: "Tosca"-Premieren in London und Zürich, "Traviata" an der MET, unlängst Des Grieux ("Manon") in Wien, Don José ("Carmen") neu auf DVD - allein dass Jonas Kaufmann es geschafft hat, sich international nicht aufs "deutsche" Repertoire festnageln zu lassen, ist außergewöhnlich.

Umso mehr überrascht es daher, wenn die DECCA Kaufmanns erster und bisher einziger Opern-Solo-CD mit ihrem extrem gemischten Programm nun ein Recital folgen lässt, das wieder das Klischee: "deutscher Tenor = deutsches Fach" bedient, ein Klischee, das schon so viele Kollegen von Jonas Kaufmann zur Verzweiflung getrieben hat.

Caspar-David-Friedrich-Ambiente
Garniert mit Fotos, bei denen der Sänger in Caspar-David-Friedrich-Ambiente posiert, präsentiert das "Sehnsucht" übertitelte Album Kaufmann als Tamino ("Die Zauberflöte"), Florestan ("Fidelio") und Fierrabras in drei seiner bisherigen Bühnenrollen: Zur Erinnerung daran, dass der Tenor mit dem dunkel-baritonalen Timbre, das nach Ludwig Suthaus, Jon Vickers oder Giuseppe Giacomini klingt, nicht als Star vom Himmel gefallen ist, sondern sich seine Karriere klug, ruhig und mit dem Wissen um die eigenen Stärken über immerhin schon 15 Jahre aufgebaut hat.

Hängen bleiben (und Opernintendanten zu Premierenplänen inspirieren) werden aber aus dem "Sehnsucht"-Programm dennoch nicht Mozart, Beethoven und Schubert, sondern die vier Wagner-Piecen, die sich Jonas Kaufmann ausgesucht hat: die "Winterstürme" aus der "Walküre", der zentrale "Parsifal"-Monolog und zwei Soli des Lohengrin, als Vorgriff auf das Rollendebüt, das bei den sommerlichen Münchner Opernfestspielen bevorsteht.

Wird Kaufmanns Stimme verheizt?
Besteht also Gefahr, dass sich Jonas Kaufmann bald als Wagner-Brüller verheizen lässt? ("Jonas Kaufmann - der neue Villazon?" titelte unlängst der "Tagesspiegel".) Dem CD-Eindruck nach: ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Mehr als es selbst beim "Streiter der Tugend" Lohengrin sein müsste, konzentriert sich Kaufmann diesmal auf ebenmäßigen, kantablen, Worte und Phrasen bedächtig wägenden Vortrag.

Die musikalische Über-Tugendhaftigkeit macht nur bei ein paar angestrengt klingenden "Parsifal"-Momenten Pause: Beweis dafür, dass selbst einem so souveränen Sänger wie Kaufmann eine Partie (noch) eine Schuhnummer zu groß sein kann. Etwas mehr Feuer, Leben, Sinnlichkeit bitte! Man wartet und wartet, leider vergeblich. Denn obwohl sich der Name des Dirigenten am CD-Cover gut liest: Claudio Abbado, der mit dem Mahler Chamber Orchestra für die Nobel-"Begleitung" aufgeboten wird, lässt beim Zuhören von Nummer zu Nummer mehr "Sehnsucht" aufkommen - nach einem jugendlicheren, ungestümeren, nicht nur Weihe und Abgeklärtheit vermittelnden Wagner-Bild.

Eine Momentaufnahme
So bietet das Album eine Momentaufnahme von Jonas Kaufmann: Wird man ihn etwa als Tamino noch oft auf der Bühne erleben können? Wer sich mit Wagner einlässt, findet sich meist bald am Karriere-Scheideweg wieder, auch ein Peter Seiffert, anfangs vermarktet als "der Tenor, der alles kann", musste das erleben. Wohin die Reise für Kaufmann geht - wir werden es erfahren: Kein Sänger steht zur Zeit mehr unter medialer Kuratel wie der heuer 40-jährige Weltstar aus München.
Text: Chris Tina Tengel






 
 
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