rbb Kulturradio, 09.06.2009
Kai Luehrs-Kaiser
 
Jonas Kaufmann: "Sehnsucht"
 
Der deutsche Startenor Jonas Kaufmann punktet auf seinem neuen Album mit Wagner.
Arien von Mozart bis Wagner

Jonas Kaufmanns farbig ausgeglichener, geradezu erotisch klingender Tenor verfügt über die Besonderheit, das der Sänger ihn sowohl lieblich nachsüßen wie auch heldisch eindunkeln kann – was ihm eine besondere Vielseitigkeit beschert. Kaufmann, der die sich daraus ergebenden Möglichkeiten längst erkannt hat, singt zuweilen in ein und derselben Woche Tamino in der “Zauberflöte” und Parsifal. * Und ist stolz darauf, sein Wagner-Gemüsebeet nur deshalb so gut bestellen zu können, weil er... sagen wir: seinen Verdi-Obstgarten so gut in Schuss hat.

Auch auf seinem zweiten Arien-Recital
(das vorangegangene erschien im Vorjahr) gelingen ihm hinreißend schöne Stellen. Allerdings laufen ihm auch versteifte, gequetschte, kräftig bemühte Töne mit unter, wodurch er zuweilen das Gegenteil dessen zu beweisen scheint, was er wollte.

Wenn Sehnsucht dennoch weit besser gelungen ist als das Debüt-Album, so liegt dies nicht zuletzt an der inspirierenden Gegenwart von Claudio Abbado und dem Mahler Chamber Orchestra. Abbado lotet die himmelweiten Unterschiede zwischen Beethovens Fidelio, Mozart und Wagner souverän aus. Ohne sich repertoiremäßig zu verzetteln, gelingt Kaufmann ein sinnlich-viriler Lohengrin, ein untörichter Parsifal und ein durchdachter Florestan. Ihm kommt die gewachsene Erfahrung des demnächst 40-Jährigen musikalisch zugute.

Punktabzug gibt es
für den kitschigen Titel Sehnsucht, der weder mit Siegmund noch mit Fierrabras oder Parsifal viel zu tun hat. Auch das Posieren in Caspar-David-Friedrich-Gemälden auf dem Cover geht, finde ich, nicht mal als Ironie durch. Dennoch ein gelungenes Album eines Sängers, der aufpassen muss, nicht zu viel zu machen (Rolando Villazon lässt grüßen!). Und ein Beweis, dass es noch immer vorzügliche Tenöre gibt, deren sich die Schallplattenindustrie (wenn auch vielleicht aufgrund optischer Kriterien) angenommen hat, besser spät als nie.
* Das ist bislang noch nicht vorgekommen, aber in einer Woche "Zauberflöte" und "Don Carlo" oder auch "Don Carlo", "Königskinder" und "La traviata" gab es schon einmal.






 
 
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