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Gießener Anzeiger, 26.05.09 |
Thomas Schmitz-Albohn |
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CD Aktuell
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Für die britische Zeitung "The Guardian" ist Jonas Kaufmann der "wohl beste
Tenor, den Deutschland in den letzten 50 Jahren hervorgebracht" hat.
Erstaunlich ist jedoch, dass viele Musikfreunde erst heute von dem auf Oper-
und Konzertbühnen gefeierten Sänger erfahren. Dabei ist der Münchner im
internationalen Musikgeschäft schon lange ein Begriff, wenngleich er seine
größten Triumphe vorwiegend in Zürich, London, New York, Salzburg, Wien und
Mailand feierte. Erst die Verpflichtung des Tenors durch das Klassiklabel
Decca vor zwei Jahren ließ Kaufmanns Popularität auch im heimatlichen
Deutschland buchstäblich explodieren. "Jonas Kaufmann singt nicht nur mit
wunderbar weicher, warmer, männlicher Stimme, er sieht auch noch verdammt
gut aus", schrieb zum Beispiel "Der Spiegel".
Nach dem Debütalbum mit internationalem Repertoire ist nun bei Decca das
zweite Album "Sehnsucht" erschienen, das mit Arien von Mozart, Beethoven,
Schubert und Wagner ausschließlich dem deutschen Fach gewidmet ist. Für das
Titelfoto schlüpfte Kaufmann in die romantische Pose des Wanderers aus
Caspar David Friedrichs gleichnamigen Gemälde, und auf seiner Wanderschaft
durch die deutsche Romantik zwischen Sehnsucht und Melancholie erweisen sich
Claudio Abbado am Dirigentenpult und das Mahler Chamber Orchestra als
einfühlsame, kongeniale Partner.
Das überschwängliche Lob des "Guardian", er sei der wohl beste deutschen
Tenor, wird von Kaufmann selbst relativiert, denn er nennt den unvergessenen
Fritz Wunderlich als sein Vorbild. Der Frühverstorbene habe "immer sein
ganzes Herz in die Stimme gelegt", sagt er. Und wenn er auf dem Album die
hinreißende "Bildnisarie" des Tamino aus der "Zauberflöte" oder zwei
weitgehend unbekannte Arien aus den Schubert-Opern "Fierrabras" und "Alfonso
und Estrella" frisch, aber mit Grazie und schwelgerischem Glühen singt,
schwingt immer auch ein wenig die Emphase und die gewinnende Natürlichkeit
des großen Vorbildes mit. Dass er auch zu großer dramatischer Wucht fähig
ist, zeigt er als Florestan in Beethovens "Fidelio". Und er versteht es, der
Vielschichtigkeit und Gebrochenheit der Wagnerschen Helden Farbe und Kontur
zu geben. Lohengrin ("im fernen Land") kommt bei ihm daher, als habe ihn ein
italienischer Belcanto-Meister ersonnen , als Siegmund ("Winterstürme wichen
dem Wonnemond") wandelt er fast auf baritonalen Pfaden, und als Parsifal ist
seine Interpretation ergreifend. Bravo! |
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