Der Spiegel, 28.05.09
Von Werner Theurich
 
Frisch gewagnert, halb gewonnen 
 
Ob Anna Netrebko, Angelina Gheorghiu oder das Publikum: Alle lieben Jonas Kaufmann. Mit seiner zweiten CD wagt sich der neue deutsche Opernheld jetzt an Wagner - und mutiert dabei vom Ritter zum Romantiker.
Kaufmann-CD: Seltenes Operntalent
Jonas Kaufmann ist eine beeindruckende Erscheinung. Selbst wenn er, wie bei seiner letzten Deutschland-Tournee, von einem unterdurchschnittlichen Orchester begleitet wird, bringt er ein Konzert anständig nach Hause. Denn Kaufmann kann vokal strahlen und darstellerisch punkten - ein seltenes Operntalent.

"Romantic Arias" hieß das erste Album des Münchners, und geradezu schwärmerisch gerieten die meisten Artikel über den neuen deutschen Opernhelden. Nun treibt ihn "Sehnsucht" um - so der Titel seiner zweiten CD, deren Cover ihn in bester Caspar-David-Friedrich-Pose zeigt.

Kaufmann begibt sich auf heimatliche Pfade, will Schubert als Bühnenkomponisten retten und sich selbst mit der Währung Wagner aufwerten. Das klingt alles sehr interessant, gelingt aber nur teilweise.

Auf jeden Fall wurde bei der Begleitung in diesem Falle nicht gespart: Das feine Mahler Chamber Orchestra unter Gründervater Claudio Abbado flankiert ebenso präzise wie wendig, die stilistische Bandbreite von Mozart bis Wagner wird makellos, doch mit individuellem Klangbild gestaltet. Zu Kaufmanns Wagnerton passt der filigrane Sound des Ensembles sehr gut: Sein Lohengrin in der bekannten Gralserzählung ("In fernem Land") spricht mit verhaltener Stimme, nach eigenen Worten möchte Kaufmann das Italienische in Wagners Heldenwerk herausarbeiten.

Dabei geht er behutsam, gar nicht wagnerisch dröhnend zu Werke. Das allerdings macht en passant aus dem Schwanenritter den introvertierten Romantiker, der schon vom Cover grüßt. Etwas zaghaft für einen Sieger, aber sauber gesungen.

Am 5. Juli wird Kaufmann mit dem "Lohengrin" auf der Bühne der Münchner Opernfestspiele debütieren. Kent Nagano dirigiert die Inszenierung von Richard Jones, Anja Harteros singt die Elsa - entsprechend hoch ist der Erwartungsdruck.

Auch bei den "Parsifal"-Kostproben auf "Sehnsucht" nähert Kaufmann sich Wagners Weihfestspiel mit der Zurückhaltung und dem Ernst des Bewunderers: Der Schluss von Wagners letztem Werk gelingt ihm überirdisch und auch hier ein wenig zu zart, aber das kann man durchaus als Auffassung durchgehen lassen.

Viel entspannter klingt Kaufmann bei Mozart: Wie schon bei den Konzerten im vergangenen Jahr, so präsentiert er auch auf "Sehnsucht" seinen Tamino aus der von ihm innig geliebten "Zauberflöte": "Dies Bildnis ist bezaubernd schön" erinnert von Ferne an Kaufmanns Vorbild Fritz Wunderlich, ohne allerdings dessen gelassene Leichtigkeit zu erreichen. Leise und gleichzeitig druckvoll zu singen, ist höllenschwer.

Viel besser beherrscht Kaufmann die kraftvollen Höhen: Die entsprechenden Partien in Puccinis "La Bohème" oder "Tosca" schmettert er schon lange mit jugendlichem Elan, sicherem Glanz und Stehvermögen. Da muss er sich derzeit vor keinem Konkurrenten verstecken. Und endlich gibt es hierzulande einen erfolgreichen Tenor, der nicht blond und heldisch, sondern eher südlich verführerisch daherkommt - mal nicht das teutonische Abziehbild.

So gelingen ihm auch die beiden Arien von Franz Schubert überzeugend, dessen Bühnenschaffen kaum aufgeführt wird. Aus den Opern "Fierrabras" ("Was quälst du mich") und "Alfonso und Estrella" ("Schon wenn es beginnt zu tagen") wählte er Stücke, die dramatisches wie musikalisches Profil besitzen und seiner warm tönenden Stimme dankbares Terrain bieten. Auch den Florestan in Beethovens "Fidelio" steuert Kaufmann verhalten an: Seine Version von "Gott! Welch Dunkel hier!" singt den Schmerzenston zu Beginn des zweiten Aufzuges vorsichtig von unten an, als ob der Gefangene der Szene keinen rechten Glauben schenkt. Der Rest ist sahniger Beethoven, tadellos zubereitet, höflich serviert.

Alles in allem ein Album, mit dem Jonas Kaufmann seinen Stellenwert unterstreicht - seine Fans werden sich freuen, auch wenn der Startenor keine neuen Maßstäbe setzt.
 






 
 
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