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Klassik.com, 13.02.2008 |
Christiane Bayer |
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Markige Töne der deutschen Tenorhoffnung
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Der
deutsche Tenor Jonas Kaufmann erlebt momentan ein absolutes Karrierehoch,
bei dem alles möglich scheint. Sein Name wird für alle großen Häuser
gehandelt und er scheint sowohl für klassische Mozartpartien als auch
italienischen Belcanto sowie den wagnerschen Heldentenor die richtige
Besetzung zu sein. So verwundert es nicht, dass die Decca nun eine CD mit
seinen absoluten Paraderollen herausgibt, um ihn als neue Tenorhoffnung aus
Deutschland zu positionieren. Als sanfter Latin-Lover singt er ‘Romantic
Arias’: dies der schwammige Programmtitel für einen bunten Reigen durch die
Operngeschichte des 19.Jahrhunderts. Dabei begleitet ihn das Prager
Philharmonische Orchester unter der Leitung von Marco Armiliato.
Neben den deutschen Komponisten Flotow, Wagner und Weber erklingen dabei
Ausschnitte aus Opern von Puccini, Bizet, Verdi, Gounod und Massenet.
Kaufmann spannt also einen weiten, sehr ambitionierten Bogen, der
unterschiedliche Gesangsschulen,- stile und -ideale miteinander vereint.
Einzig Mozart fehlt in dieser Liste, doch liegt dies einzig und allein
daran, dass der Sänger eine ganze CD nur mit Werken des großen Wieners
eingespielt hat, die erst noch veröffentlicht wird. Den Auftakt macht
Puccinis ‘Che gelida manina’ aus der Oper La Bohème. Das Stück, welches so
kongenial von Pavarotti für alle Ewigkeit eingesungen wurde, wirkt bei
Kaufmann unglaublich behäbig und schwer. Fast scheint das alte Vorurteil
bestätigt, nach dem den Deutschen einfach immer die Leichtigkeit fehlt.
Dieser Rudolfo kämpft mit sich und seinen Gefühlen, dass jeder positive
Überschwang verloren geht. Manieriert ist besonders der Abschnitt, in dem
sich Rudolfo seiner Mimi vorstellt. Seine Auskünfte (‘Sono un poeta… che
cosa faccio? Scrivo’) zu seiner Person gibt Kaufmanns Rudolf mit gewichtigem
Ernst und überbetonter Aussprache.
Ebenfalls eher schwerfällig, allein schon durch seine Diktion, wirkt
Kaufmanns Interpretation des Don Josè aus Bizets ‘Carmen’. Doch insgesamt
scheint ihm die Arie besser zu liegen, singt er doch die Bögen wunderbar
aus. Das ‘…et j'étais une chose à toi’ kommt bei ihm etwas kehlig und
knödelig, doch sehr schön sanft im piano. Überhaupt ist sein Timbre recht
ungewöhnlich, ist es doch für einen leichten, lyrischen Tenor zu dunkel.
Dennoch verfügt Kaufmann über eine erstaunliche Höhe, die er aber häufig nur
durch kraftvolles Ansteuern der hohen Register erreicht.
Die rührselige Arie ‘Ach! So fromm, ach! So traut’ aus der Oper ‘Martha’ von
Friedrich Flotow ist bei Kaufmann eher langsam, und er verzichtet auf eine
wesentliche Belebung im zweiten Abschnitt. ‘Martha! Martha! Du
entschwandest’ wurde selten eindringlicher und verzweifelter gesungen, als
von Kaufmann. Hier kann er mit extatischer Intensität auftrumpfen. Während
die großen deutschen Sänger der 50er und 60er Jahren - in deren Tradition
sich Kaufmann gerne sieht (oder sehen lässt) - die Arie mit süßem Säuseln
sangen, wählt er bewusst kräftige Klangfarben und zeichnet so ein sehr viel
passenderes Bild des Lyonel, als es beispielsweise Fritz Wunderlich geglückt
ist.
Schwieriger wird es dann wieder in der eher delikaten Arie ‘E lucevan le
stelle’ aus Puccinis ‘Tosca’. Wie schon bei der Rudolfo-Arie sind die
klingenden Vorbilder des italienischen Belcanto wie z.B. Pavarotti zu stark,
als dass die brütende Schwere von Kaufmann überzeugen könnte. Allein die
Textzeile ‘e muoio disprato’ berechtigt noch nicht, die ganze Arie des
Cavaradossi mit machtvoller Kraft heraus zuschmettern.
Im deutschen Fach, das neben Flotow mit Carl Maria von Webers ‘Freischütz’
und dem ‘Meisterlied’ des Walther von Stoltzing aus Wagners ‘Meistersinger’
vertreten ist, hat er beide Male eine etwas schwer verständliche Aussprache.
Besonders in den Meistersingern ist die Textverständlichkeit eher gering.
Hinzu kommt, dass er hier versucht, Innerlichkeit durch eine stark
gedrosselte Stimmgebung zu erzeugen, was aber nur dazu führt, dass ihm die
Obertonklänge, welche für Brillanz der Stimme sorgen, verloren gehen. So
klingt sein Gesang eher topfig und dumpf als strahlend schön.
Als Finale erklingt die Arie ‘Toute mon ame est là!’ aus Massenets
‘Werther’. Hier kann sich Kaufmann noch einmal von seiner besten Seite
zeigen, nutzt er doch Massenets Vorgaben zu einer stimmmächtigen
Demonstration seiner vokalen Fähigkeiten. Seelisch zerrissen und getrieben
scheint der Werther von Kaufmann mit aller Macht zu versuchen seine, heile
Traumwelt aufrecht zu erhalten, die so fragil und zerbrechlich ist. |
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