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NDR Kultur, 22.01.2008 |
Vorgestellt von Dieter Kranz |
Neue CDs
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Romantische Arien
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"Er hat nicht nur das Aussehen und
das lässige Bühnenauftreten eines Rockstars, sondern zeichnet sich auch
durch eine Flexibilität aus, die man selten bei deutschen Tenören hört". So
konstatierte jedenfalls mit gutem Grund das New York Magazin. Die Rede ist
von dem Tenor Jonas Kaufmann, mit dem das Universal-Label DECCA Anfang des
Jahres eine CD mit romantischen Arien herausgebracht hat.
Beginnend mit der Arie des Rodolfo wird ein bunter Mix aus italienischem,
französischen und deutschem Repertoire geboten. Dreizehn Arien von Puccini
bis Massenet und Bizet, von Wagner bis Verdi und Berlioz werden mit dem
Etikett "romantisch" versehen, das Jonas Kaufmann etwas "unorthodox"
interpretiert.
"So ziemlich jede Oper ist romantisch, warum? Weil 99 Prozent der Handlung
sich um Liebe mit schlechtem oder guten Ausgang dreht, um nichts anderes."
Offenbar will der Sänger mit dieser Zusammenstellung seine Vielseitigkeit
beweisen. Aber das allein genügt ihm nicht.
"Ich hoffte, wenn’s auch nur ganz wenige Stellen sind, irgendwie etwas Neues
einzuführen, einen neuen Aspekt, eine neue Idee, einen neuen Charakterzug in
einer Rolle… etwas, das klar macht: es sich gelohnt, dieses Album zu
machen."
Was neu ist, muss nicht unbedingt auch richtig sein. Aber bei Jonas Kaufmann
führt die Entdeckerlust zu erstaunlichen Ergebnissen.
Das Bild der Geliebten
Cavaradossi beschwört in seiner Phantasie kurz bevor er erschossen, wird das
Bild der Geliebten.
Walther von Stolzing scheint bei der Geburt des Preislieds in sich hinein zu
hören. Wir bekommen Einblick in den Schöpferprozeß eines jungen Dichters.
"Das ist ja nicht zwingend: nur weil 'Wagner' drauf steht, soll 'laut' drin
sein."
Das Unglaubliche gelingt: Arien, die man genau kennt, hört man wie zum
ersten Mal, weil Kaufmann das Denken und Fühlen der Figuren Klang werden
lässt. Seine musikalische Seelenerforschung ist frei von der
besserwisserischen Tendenz, Neues um des Neuen willen zu bieten. Und sie
entgeht auch der Gefahr, in ein monotones Einheits-Gesäusel abzugleiten.
Schon beim Entrée seines Programms lässt er ein hohes C hören, um das ihn
mancher italienische oder lateinamerikanische Konkurrent nur beneiden kann.
Je nach Standpunkt registriert man wohlgefällig oder wirft ihm vor, dass er
mit seiner schwarzen Lockenmähne und seinen Glutaugen das Image eines Latin
Lovers kultiviert. Wenn er an diesem Punkt etwas allergisch reagiert, hat er
seine Gründe.
"Mir hat mal jemand gesagt, sehr früh natürlich in der Karriere, Sie müssen
Ihren Namen ändern, Sie müssen irgend was Italienisches draus machen, dann
können wir Sie ganz leicht vermarkten. Aber als Deutscher italienisches
Repertoire singen, das können Sie vergessen!"
Die Welt-Karriere, die inzwischen trotzdem für ihn begonnen hat, verdankt er
dem Publikum und der Fachkritik in London und New York, die ihn gerade für
seine Leistungen im italienischen Fach mit Beifall und Lobsprüchen
überschüttete. Ob er allerdings, wie er halb scherzhaft erklärt, später auch
Tristan und Othello nebeneinander singen will und kann, bleibt abzuwarten.
Mit Don Carlos und Stolzing funktioniert sein Konzept jedenfalls. |
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