Abendzeitung, 16.09.2015
Robert Braunmüller
 
Jonas Kaufmann singt Giacomo Puccini
 
Lauter Liebesdinge: Jonas Kaufmann singt auf seiner neuen CD Arien von Giacomo Puccini
 
Plácido Domingo soll gesagt haben, der Des Grieux in Puccinis Oper „Manon Lescaut“ sei schwerer zu singen als Verdis Otello. Und so legt sich Jonas Kaufmann ins Zeug: Als gelte es den Sieg über die Türken zu feiern, schmettert er „Donna non vidi mai“ als erste Nummer seiner neuen CD.

Die Arie, in der Des Grieux von der Liebe auf den ersten Blick überwältigt wird, ist der einzige Schwachpunkt von „Nessun dorma – The Puccini Album“ (Sony Classical). Kaufmann war voriges Jahr in Hans Neuenfels’ Neuninszenierung im Nationaltheater ein beeindruckender Des Grieux. Aber auf der Klangbühne passt seine baritonal-männliche Kraft nicht wirklich zum einem in Liebesdingen unbedarften jungen Mann wie Des Grieux. Und der Dirigent Antonio Pappano gibt dem Sänger mit dem Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia auch ein wenig zu sehr im Tempo nach.

Viel Charisma
Dann steigert sich das Album von Arie zu Arie. Kaufmann ist kein typischer Tenor italienischen Typs mit einer hellen metallischen Stimme wie einst Luciano Pavarotti oder heute Joseph Calleja und der von Riccardo Muti geschätzte Francesco Meli. Aber sonst hat er alles, was zu einem italienischen Tenor gehört: Geschmack, Feuer, Kraft und ein Charisma, das den Hörer in Bann zieht.

Kaufmann ist eine Ausnahme-Erscheinung: Einen deutschen Tenor, der auch im italienischen und französischen Fach international erfolgreich ist, gab es bisher nicht. In schweren Verdi-Rollen wie dem Manrico in „Il trovatore“, als Alvaro in „La forza del destino“, als Don Carlos und auch als Radámes in „Aida“ ist er derzeit schwer zu überbieten. Und auch bei Puccini gibt es keinen Besseren.

Gaumige Töne, auf die Kaufmann-Verächter lauern, gibt es kaum. Bei drei Szenen aus „Manon Lescaut“ ist wie in München die Lettin Kristine Opolais seine Partnerin. Sie singt auch, nicht wirklich ideal, die Mimí im Duett aus dem ersten Akt von „La Bohème“. Neben den Schlagern gibt es auch Szenen aus Frühwerken wie „Le Villi“ oder „Edgar“ und weniger Bekanntes aus „Gianni Schicchi“ und „Il tabarro“.

Die Helden warten schon
Diese famose CD ist sorgfältig produziert: In Arien wie „Recondita armonia“ aus „Tosca“ und „Addio fiorito asil“ wurden der Mesner und Sharpless nicht weggelassen. Man sollte die bei Sony erschienene Scheibe nicht mit „Jonas Kaufmann – The Age of Puccini“ verwechseln: Diese Zusammenstellung älterer Aufnahmen hat Kaufmanns frühere Plattenfirma Decca nicht ohne Hintergedanken bereits im August herausgebracht.

Im Booklet von „Nessun dorma – The Puccini Album“erläutert Kaufmann seine zum Teil persönlichen Gründe für die Zusammenstellung. Beispielsweise war die Partie des Ruggero in „La rondine“ ein wichtiger Schritt in der internationalen Karriere. Und ein neuer Höhepunkt bahnt sich auch schon an: Kaufmanns Stimme wirkt ideal für Puccinis heroischsten, männlichsten Tenor: den Kalaf in „Turandot“.

„Ich selbst habe mich lange Zeit nicht an ‚Nessun dorma‘ herangetraut“, schreibt Kaufmann. „Zu groß war mein Respekt vor der Magie und der unglaublichen Sogkraft dieser Arie. Und noch heute bekomme ich jedes Mal Gänsehaut, wenn ich sie höre.“ Und die kriegen nun wir, wenn wir Kaufmann damit hören.






 
 
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