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Der Opernfreund, 20. 2. 2014 |
Ludwig Steinbach |
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Parsifal
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Moderne Regie, gesanglich toll, mäßiges
Dirigat |
Man
hat es schon nicht mehr für möglich gehalten, aber an der
Metropolitan Opera New-York, einer Hochburg konventioneller
Opernaufführungen, gibt es auch moderne Produktionen. Dafür ist
der jüngst bei dem Label SONY im Rahmen von dessen Reihe The
Metropolitan Opera auf DVD herausgebrachte, am 2. 3. 2013
mitgeschnittene „Parsifal“ ein trefflicher Beweis. Francois
Girard hat in Zusammenarbeit mit Michael Levine (Bühnenbild) und
Thibault Vancraenenbroeck (Kostüme) Wagners Bühnenweihfestspiel
gekonnt modernisiert und das Ganze mit imposanten
Lichtstimmungen garniert. Die Handlung spielt sich unter einem
je nach Situation in den verschiedensten Farben ausgeleuchteten
Gewitterhimmel ab, der ein eindrucksvolles Pendant zum Geschehen
auf der Bühne darstellt. Ansprechend ist auch der symbolische
Gehalt, den der Regisseur seiner Interpretation angedeihen
lässt. Das Wasserrinnsaal, das die Bühne von hinten bis nach
vorne durchfließt, kann als Sinnbild für das Leben verstanden
werden. Wenn der gesamte zweite Aufzug gleichsam in einem
Blutfluss zu spielen scheint, symbolisiert das Tod und Sünde.
Auf der anderen Seite stellt das kühle Nass aber auch ein von
Schuld reinigendes Element dar, wie es im Falle von Klingsors
Zaubermädchen der Fall ist, die erlöst im Wasser sterben. In
diese Kategorie fällt auch die Aufspaltung des Schwans in einen
Vogel und ein Mädchen in blutigem weißen Unterhemd. Die Reinheit
wird durch Sünde befleckt. Und wenn das Blut von Amfortas’ Wunde
auf die zeitgenössischen weißen Hemden der ihn stützenden
Gralsritter abfärbt, überträgt sich seine Schuld sinnbildlich
auf die ganze Gralsgemeinschaft. Hier haben wir es nicht mit der
Sünde eines Einzelnen, sondern mit einer Kollektivschuld zu tun.
Auch mit Tschechow’schen Elementen weiß der Regisseur umzugehen.
Wenn er Kundrys in einem großen Bett ausgeführten Kuss und
Parsifals verzweifelte Reaktion von Klingsor beobachten lässt,
gehört das zu den spannendsten Momenten seiner gelungenen
Inszenierung. Die Blumenmädchen sind mit ihren in den Boden
gerammten Speeren gleichsam Spalier stehend die ganze Szene über
präsent. Dass sie letztlich nur willenlose Puppen in der Hand
des Zauberers sind, wird durch eckige, kantige Bewegungen
versinnbildlicht.
Ausgangspunkt von Girards Deutung ist
eine Ansammlung von Menschen beiderlei Geschlechts, die während
des Vorspiels auf der Bühne stehen und sitzen und erwartungsvoll
ins Publikum blicken. Vorne die Männer, hinten die Frauen und
Parsifal allein in der Mitte. Auch die übrigen Handlungsträger
haben sich bereits unter das Kollektiv gemischt. Becketts
„Warten auf Godot“ lässt grüssen. Im Folgenden spalten sich die
Gruppen. Die Männer formieren sich im rechten Bühnenbereich zu
einem in herkömmlichen Ritualien erstarrten Ordenskreis, der
noch einen konventionellen Gralskelch sein Eigen nennt. Die aus
der Gralsgemeinschaft ausgestoßenen Frauen versammeln sich links
und trachten danach, von ihren Männern wieder aufgenommen zu
werden. Nachhaltig bilden sie eine Gegenwelt zu dem
patriarchalisch geprägten Gralsorden und schlüpfen im zweiten
Aufzug teilweise in die Masken der Blumenmädchen - ein erster
zaghafter Schritt in Richtung Emanzipation der Frau. Aber
vergebens: Dass sie ihre Revolte aber letztlich mit dem Leben
bezahlen müssen, wurde oben bereits gesagt. Am Ende findet keine
Vereinigung der beiden Geschlechtergruppen statt. Männer und
Frauen bleiben weiterhin getrennt. Das Ganze klingt recht
pessimistisch aus. Dieser Ansatzpunkt ist zwar nicht mehr neu,
aber durchaus ansprechend umgesetzt.
Auch die
sängerischen Leistungen bewegen sich auf hohem Niveau. Jonas
Kaufmann singt mit kraftvollem, baritonal timbriertem und zu
gewaltiger vokaler Expansion fähigem Tenor, aber auch mit den
für ihn typischen Abstrichen im Piano einen eindrucksvollen
Parsifal. Gut schneidet Katarina Dalayman ab, die mit solide
gestütztem dramatischem Sopran und einwandfreier Höhe der Kundry
voll gerecht wird. Ein Hochgenuss ist es René Pape zuzuhören,
der mit seinem wunderbar auf Linie geführten, elegant
dahinfliessenden und bestens italienisch geschulten Bass eine
Luxusbesetzung für den Gurnemanz darstellt. Die großen Schmerzen
und die Agonie des Amfortas werden von Peter Mattei mit
intensivem, gut focussiertem Bariton glaubhaft gemacht. Evgeny
Nikitin ist ihm als Klingsor ein markant und sonor singender
Gegenspieler. Beide könnte man sich gut auch in der jeweils
anderen Partie vorstellen. Große stimmliche Autorität strahlt
Runi Brattabergs Titurel aus. Die zahlreichen Nebenrollen hat
man selten so gut erlebt wie hier. Da wird durchweg schön im
Körper gesungen.
Bleibt noch Daniele Gatti, dessen
unausgegorenes Dirigat alles andere als wirkungsvoll ist. Er
fasst Wagners Weltabschiedswerk im ersten und dritten Aufzug
seinem ursprünglichen Charakter entsprechend als Weihefestspiel
auf und schlägt demgemäß recht langsame Tempi an. Leider neigt
er manchmal zum Schleppen und vermag auch die Spannung nicht
immer aufrechtzuerhalten. Im als große Oper gedeuteten zweiten
Aufzug rennt er dagegen mit dem Orchester den Blumenmädchen in
äußerst rasantem Tempo regelrecht davon. An so mancher Stelle
hätte man sich von ihm auch eine stärkere Ausdrucksintensität
und einen brillanteren Klang gewünscht. Seine mäßige Leistung
mindert leider den Wert dieser DVD, die von der Regie und den
Sängern her sehr empfehlenswert ist.
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