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Rhein-Zeitung, 15.09.2010 |
Claus Ambrosius |
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Ein deutscher Schwanenritter in Bestform
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Der
Tenor Jonas Kaufmann ist genau das, worauf Theaterintendanten,
Plattenfirmen und nicht zuletzt auch Opernbesucher seit Jahren warten:
ein großes Talent auf vielen Hochzeiten, unterwegs im französischen,
italienischen und deutschen Fach und ein attraktiver und engagierter
Darsteller noch dazu. Und das Schönste: Er hat offensichtlich vor, noch
möglichst lange auf gutem Niveau zu singen. Denn Kaufmann wählt seine
Rollen mit Bedacht: Längst bekommt er schon die ganz harten Rollen des
Wagnerfachs angeboten, könnte jederzeit schon als Siegfried, Tannhäuser
oder Tristan seine Stimme vor der Zeit verausgaben. Aber Kaufmann bleibt
lieber flexibel, lässt die Stimme nach und nach wachsen. Mit seinem
fulminanten Lohengrin-Debüt in München im vergangenen Jahr wurde er
automatisch zum Superstar auch der diesjährigen Bayreuther Festspiele:
So kontrolliert, so liedhaft entspannt hat lange kein Tenor sich diese
Partie zu eigen gemacht. Schön, dass sein erster Auftritt in dieser
Rolle jetzt auf DVD dokumentiert ist.
Die Inszenierung von
Richard Jones ist zwar nicht gerade der Stoff, aus dem die Träume sind:
Lohengrin und Elsa von Brabant treten als Baumeister auf, suchen ihr
Glück im trauten Eigenheim. Eine nette Analogie zum architektonischen
Interesse des Festspielhauserbauers Richard Wagner, aber keine besonders
sinnfällige Interpretation, die den langen Abend zu tragen vermag. Noch
dazu, weil Jones in der Führung der im Lohengrin wichtigen Chöre nahezu
nichts eingefallen ist.
Aber bei dieser Sängerriege lohnt sich
sowohl Hinhören als auch Hinsehen: Jonas Kaufmann und Anja Harteros
(Elsa) wurden nach dieser Produktion umgehend in der Kritikerumfrage der
Berliner Fachzeitschrift Opernwelt zum Sänger beziehungsweise zur
Sängerin des Jahres gekürt. Er für die schon genannten Qualitäten, sie
für eine wunderbar beseelte und stimmreine Interpretation. Und nicht nur
diese beiden Stars strahlen: Michaele Schuster darf als Elsas
Gegenspielerin Ortrud ihren kraftvollen Mezzosopran auf Hochtouren
treiben, als ihr Gatte Friedrich von Telramund verbindet Wolfgang Koch
eine sehr markante Stimme mit einem äußerst kultivierten Vortrag, eine
Kombination, die man lange suchen muss. Schließlich der König Heinrich
von Christoph Fischesser: ein noch junger Bass, fest engagiert an der
Berliner Staatsoper, der genau jene nimmermüde Fülle in der Tiefe
mitbringt, die man sich in dieser Partie nur wünschen kann.
Einziger Schwachpunkt ist auch in dieser Münchner Produktion das Dirigat
von Kent Nagano: Um ihn ist ja mittlerweile angesichts seiner von ihm
angekündigten Nichtverlängerung als Generalmusikdirektor der Bayerischen
Staatsoper ein großer Streit entbrannt. Seine Parteigänger loben Analyse
und Durchdringung im Lohengrin zeichnen Unsicherheiten und erstaunliche
Kommunikationsprobleme mit Solisten und Chören das Dirigat aus, was in
einer so ausgesprochenen Choroper schon erstaunlich ist, wenn der Chef
selbst am Pult steht. |
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