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Rondo Magazin, 03.07.2010 |
Christoph Braun |
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Lohengrin
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Zugegeben:
Wenn ein geheimnisvoll fremder, heimatlos umherziehender, heilbringender
Gralsritter zum rührigen, mit blauem T-Shirt und Trainingshose
bekleideten Häuslebauer und baldigen Familienvater profaniert wird, und
wenn dessen Elsa als Architektin selbst Hand an den Mörtel des
kontinuierlich wachsenden Heimglücks anlegt – dann fällt es schwer,
darin keine ironische Brechung des Lohengrin-Stoffes zu sehen. Ironie
aber war nicht bei dieser Münchner Opernfestspielpremiere im Juli 2009,
die der Brite Richard Jones und sein Bühnenbildner Ultz in provokante,
diskussionswürdige, wenn auch nicht durchweg schlüssige Szenen setzten.
(Vieles changierte unentschlossen zwischen romantischer Vorlage und
Verfremdung. Warum kämpfte beispielsweise jener Handwerksbursche
Lohengrin ausgerechnet mit einem Schwert gegen den befrackten
Telramund?!). Die Münchner aber wollten nichts wissen von einer
bürgerlichen Menschwerdung ihres sonst so weißgewandet-verklärten,
bajuwarisch-neuschwansteinschen Erlösungsritters, erst recht nichts von
dessen Verortung in Wagner selbst, die Jones in dessen persönlicher
Utopie vom häuslichen Glück in "Wahnfried" – nomen est omen – erkannte.
Diese scheiterte ebenso an der Realität wie Wagners
autoritär-revolutionäre Führer-Sehnsucht von 1848, die Jones in die
bürgerkriegsähnlichen Kollapsjahre der Weimarer Republik verlegte.
Dass der jetzt vorgelegte DVD-Mitschnitt das wütende Regie-Bashing im
Abspann unterdrückt, ist bemerkenswert: Offensichtlich passt es nicht
zur Krönung des neuen Sängertraumpaares, das die Münchner – zu Recht –
bejubelte. Selten erhielt Wagners Elsa von Brabant eine stimmlich wie
schauspielerisch derart geheimnisvoll leuchtende, gleichermaßen fragile
und stolze Aura wie bei Anja Harteros. Jonas Kaufmann, der mit Lohengrin
heimgekehrte Überflieger des Münchner glamourösen Opernbetriebes, zeigte
seine Gabe, gleichzeitig machtvollst aufzutrumpfen und einfühlsam
(wenngleich etwas gaumenlastig) Piano-Nuancen wahrzunehmen, auf
berückend ausdauernde Art. Die Hoffnungen auf einen überragenden
Wagnertenor unserer Tage – Kaufmanns Bayreuth-Debüt steht jetzt bevor –
sind jedenfalls nicht unberechtigt. Was seine fiesen, rachsüchtigen
Gegenspieler angeht, so zeigten Michaela Schuster als Ortrud und
Wolfgang Koch als Telramund nicht minder große klangliche wie
darstellerische Wirkungen. Überhaupt befriedigt dieser Münchner
Lohengrin musikalisch nahezu vollkommen, nicht nur der ausgezeichneten
Chöre wegen, sondern auch und gerade dank Naganos zügiger Tempi und
unsentimentaler Lesart, die das Realistische ebenso zur Geltung brachte
wie das Hintergründig-Visionäre der Wagner'schen Tonsprache.
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