|
|
|
|
|
Frankenpost, 1.7.2010 |
Kerstin Starke |
|
Der Schwanenritter in Zimmermannskluft
|
|
In
wenigen Wochen gibt der Münchner Startenor Jonas Kaufmann sein Debüt bei
den Bayreuther Festspielen als Lohengrin. Sein Rollendebüt mit dieser
Partie hatte er im vergangenen Jahr bei den Münchner Opernfestspielen.
Vor Kurzem ist die DVD zu der umjubelten "Lohengrin"-Inszenierung von
Richard Jones unter der musikalischen Leitung von Kent Nagano bei Decca
erschienen; gerade rechtzeitig auch für die Opernfestspiele 2010, die am
Montag mit der Premiere der Neuinszenierung von Puccinis "Tosca" durch
den Schweizer Luc Bondy einen ersten Höhepunkt erfahren sollten -
ebenfalls mit Jonas Kaufmann in der Rolle des Malers Cavaradossi. Die
Bondy-Inszenierung ist, wie zu lesen war, eher lau geraten und auch die
Solisten seien hinter den Erwartungen zurückgeblieben; einzig Kaufmann
habe diese "Tosca" quasi "im Alleingang gerettet" und "sehr verdient"
Ovationen erhalten.
Dieses Erfolgsgefühl ist für den Münchner nichts Neues: Schon für
seinen Lohengrin im vergangenen Jahr war er gefeiert worden: für eine
sängerische Leistung, die sich - wenn auch die Live-Atmosphäre und
-Spannung fehlt - nun auch auf der DVD vermittelt. Eine der großen
Stärken des Tenors sind neben seiner stets unangestrengt klaren
baritonalen Stimme seine darstellerischen Fähigkeiten. Mit ihnen
verstärkt der 40-Jährige auf der Bühne die Ausdruckskraft seines
Vortrags. Diese verliert auch nicht durch den intimen Blick, den die
Kamera auf das Geschehen der Oper gestattet.
Er wie auch Michaela Schuster als intrigante Ortrud und Wolfgang Koch
als Friedrich von Telramund und vor allem natürlich Anja Harteros, die
hier als Elsa von Brabant debütierte und stimmlich absolut überzeugt,
zeigen in dieser Aufnahme viel Leidenschaft, aber auch Gespür für die
buchstäblich leisen Töne und intimen Momente der Oper.
Wagners Werk - die herrliche Musik sowieso - funktioniert auch fern
aller romantischen Interpretationen, das zeigte die durchaus umstrittene
Inszenierung wie jetzt auch die DVD. Einem Lohengrin in T-Shirt oder
Zimmermannskluft - während der ersten beiden Akte bauen Elsa als
Architektin und Lohengrin, der sie in allem unterstützt, ein Haus auf
der Bühne - nimmt man sein Schicksal, Abschied nehmen zu müssen, wenn
seine Identität erkannt wird, genauso ab. Regisseur Jones' verfolgte in
seiner realistischen Interpretation des Stoffes aber die Auffassung,
dass der Schwanenritter seiner höheren Bestimmung gar nicht so gerne
folgt; und da ist er ganz bei Wagner. Dieser schrieb über seinen Helden:
"Mit seinen höchsten Sinnen, mit seinem wissendsten Bewußtsein wollte er
nichts anderes werden und sein, als voller, ganzer, warmempfindender und
warmempfundener Mensch." |
|
|
|
|
|