Online Merker, 07.09.2021
Renate Wagner
 
CD Liszt: FREUDVOLL UND LEIDVOLL / Jonas Kaufmann
 
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass es keinen Sänger gibt, der in den letzten Jahren den Markt so konsequent mit laufend neuen CD-Aufnahmen überzogen hat – aber wenn man Jonas Kaufmann ist, kann man es sich leisten, hat man sein Publikum für alles, was er anbietet. Ob mit Verdi- und Puccini-Arien, ob mit Operetten-Schlagern oder Wienerliedern, deutsche Kunstliedern, den schönsten italienischen Schnulzen oder Weihnachtsliedern – ihm oder wer immer ihn beim Programmieren berät, gehen die Ideen nicht aus.

Nun eine CD ausschließlich mit Liedern von Franz Liszt aufzunehmen, die in Sänger-Programmen meist nur „unter ferner liefen“ aufscheinen, erwies sich als besonderer Gewinn (und war auch eines der positiven Aspekte des Lockdowns, der Zeit für dieses Projekt frei geschaufelt hat).

Nun hat Jonas Kaufmann immer schon Liszt „auch“ in seine Liederabende aufgenommen. Zuletzt erst im Mai im Wiener Konzerthaus, wo er die erste Hälfte seines Programms dem gekrönten Liederfürster Schubert gewidmet hatte. Und dennoch vermerkte die Kritik, dass die Lieder von Liszt „der eigentliche Höhepunkt des Abends“ waren.

Hört man die CD, so weiß man, warum. Und weiß auch, dass es ein Gewinn ist, mehr von Liszt geboten zu bekommen, der kein „typischer“ Liederkomponist war. Gleich das erste Stück, „Vergiftet sind meine Lieder“ (auf einen Text von Heinrich Heine) beginnt mit einer Intensität, als handelte es sich um eine Arie, und diesen Charakter tragen die meisten Lieder. Viele sind kleine Melodramen, viele liegen in der Tessitura sehr hoch, und die technischen Schwierigkeiten zwischen kraftvollen Spitzentönen und langen, getragenen Pianissimo-Passagen sind evident. Wobei Jonas Kaufmann hier ebenso auf voller Höhe der Anforderungen agiert wie als Interpret – ganz offenbar haben er und der wie immer kongeniale Begleiter Helmut Deutsch sehr an dem Ausdruck gearbeitet.

Ein Höhepunkt unter den 20 Liedern, bei denen Liszt meist auf die großen Dichter von Goethe abwärts zurückgegriffen hat, sind die „3 Sonetti del Petrarca“ in italienischer Sprache, die noch bewusster „arios“ gehalten sind als die deutschen Vorlagen, wobei Kaufmann in Melos und Spitzentönen schwelgen kann.

Man findet immer Texte, die man von anderen Komponisten kennt und die dann auf Anhieb „fremd“, aber beim genauen Hören so interessant wie überzeugend wirken. Das gilt auch für das letzte Lied, Goethes „Zueignung“ („Über allen Gipfeln ist Ruh’“), das man von Schubert im Ohr hat – und wo Liszt auf seine Art überzeugt.

Kaufmann und Deutsch haben diesmal – abgesehen von ihrem persönlichen Interpreten-Ruhm – auch einem bedeutenden Komponisten einen Dienst erwiesen. Man ist richtig dankbar, Franz Liszt einmal in einer so großen „Dosis“ geboten zu bekommen.




















 
 
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