Der Neue Merker
Dr. Ingobert Waltenberger
 
Giuseppe Verdi: La Forza de Destino – Kaufmann und Harteros at their best
Eines ist sicher: Mit dieser Aufführung erleben wir die bislang beste Verdi Leistung des edlen Opern- Gespanns Anja Harteros und Jonas Kaufmann. Ähnlich wie beim Lohengrin unter Kent Nagano stimmt hier stimmlich einfach alles. Leider ist die musikalische Leitung (Asher Fisch) so gar nicht auf Augenhöhe mit der insgesamt herausragenden Sängerbesetzung.

„Wer sich in Familie begibt, kommt darin um“, hat Heimito von Doderer einmal gesagt. Dieses Diktum dürfte sich Residenztheaterchef und Regisseur Martin Kušej zu Herzen genommen haben. Er zeigt in seiner Inszenierung die verstörende Kraft der vom Ziel her auf Bewahrung programmierten Institutionen Kirchen/Glaubensgemeinschaften und Sippschaft. Zum zugehörigen Krieg geht jeder hin, aber es nützt nicht. Es bleiben Ruinen, gesprengtes Gemäuer, Trostlosigkeit und Tod. Ein guter Ansatz, der jedoch nicht immer mit stimmigen Regieideen einhergeht.

Optisch ist die Inszenierung eindringlich intensiv: Ein einfacher Holztisch samt Sesseln im 60-er Jahre-Stil (Bühnenbild Martin Zehetgruber) bei den Calatravas symbolisiert den unsympathisch kalten Ort, an, auf und unter dem nicht immer nur lustvoll gegessen, sondern auch gestritten, geliebt, gehadert und getötet wird. Die „Geometrie der Liebe“ (Pasolini) hat insofern das Bühnendesign inspiriert, als die wie Architekturelemente aufgehäuften Kreuze das Unerbittliche von Liebe, Gesellschaft und Glauben beeindruckend widerspiegeln. Da gibt es noch Reste von Ruinen (World Trade Center?) und anderen exotisch assoziierten Bildern, die als Verfremdung ihre Wirkung tun, ohne immer deren Logik und Stringenz hinterfragen zu dürfen. Die filmischen Mittel erhöhen die durchwegs große Qualität des Bühnenbilds durch perspektivische Manöver, Zoom und abstrakt überhöhten Verschmelzens von Mensch und Objekt. (großartige Leistung von Video Director Thomas Grimm).

Den Filmemachern steht aber auch eine nicht nur sanglich, sondern auch rein optisch höchst ansehnliche Besetzung zur Verfügung. Das ungleiche Liebespaar Donna Leonora und Don Alvaro wird von den wahrlich telegenen deutschen Opernstars Anja Harteros und Jonas Kaufmann verkörpert. Da werden auch Großaufnahmen und damit eigentlich das Überschreiten jeglicher Intimitätsgrenze mittels technischer Möglichkeiten nicht zum Spießrutenlauf verschwitzter Körperfülle, sondern zu künstlerischen Artefakten sui generis. Die Mimik der beiden wölbt sich zur expressiv-dramatischen Landschaften der Partitur. Jede Ausdrucksnuance sei es in den Arien oder Ensembles geht einher mit höchstem vokalem Differenzierungsvermögen sowie seismischer Übertragung der Affekte in Geste und Ton. Gerade Jonas Kaufmann ist darstellerisch dort am stärksten, wo es ihm die Musik erlaubt, sich komplett zugunsten den Fährnissen der Figur fallenzulassen.

Anja Harteros liegt in ihrer leicht distanzierten Kühle die verwöhnte Tochter Leonore extrem gut. Von der Tessitura und Stilistik her ist ihr diese Rolle auf den Leib geschrieben. Harteros vollbringt ein wahres Verdi-Wunder, das nahtlos an die höchsten Vorbilder anschließen kann. Goldene Kuppeltöne, Piani, dramatischer Ausbruch und rezitativische Entäußerung gehen Hand in Hand mit einer exquisiten Legatokultur, einem Strömen Lassen und freiem Fließen des edlen Stimmmaterials. Vielleicht ist es diese überragende Leistung, die die an diese exemplarische Sängerin gesteckten Erwartungen vor dem Rollendebut als Aida in nicht erfüllbare Höhen getrieben hat. Jedenfalls stellt ihre Leonore jeden Zoll eine ideale Rollenverkörperung dar.

Jonas Kaufmann singt die del Monaco Rolle des Alvaro mit breit geführtem Luxustenor, die Lyrismen als auch die Dramatik voll auskostend. Auch der Alvaro ist eine seiner intensivsten Auseinandersetzungen mit einer Verdi-Rolle, kein Risiko und kein stimmliches Grenzgängertum scheuend.

Sein Wiedersacher, der Sohn des „schicksalhaft“ getöteten Marchese di Calatrava (schönstimmig orgelnd Vitalij Kowaljow) und Bruder Leonoras, Don Carlos die Vargas, wird von Ludovic Tézier prachtvoll gesungen. Sein französischer Kavaliersbariton verfügt sowohl über die draufgängerische Kraft als auch den glühenden Kern, um vollends reüssieren zu können. Als Figur ist er sowieso ein Vollbut-Bühnentier. Renato Girolamis Fra Melitone ist eine Klasse für sich und überzeugt anrührend in den buffonesken Teilen dieser seltsam schönen Oper. Als Padre Guardiano ist Vitalij Kowaljow einmal mehr das auch stimmlich geerdete Gravitationszentrum der Oper. Nadia Krasteva kommt mit dem „Rataplan“ gut zurecht, weniger stereotype Bewegungen und plakative Darstellung hätten ihr aber gut getan.

Das seltsam schlaffe und wenig inspirierte, indifferente Dirigat ist der Schwachpunkt dieser Aufführung. Schade. Solch eine Besetzung hätte einen Maestro allerersten Ranges verdient.






 
 
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