Klassik.com, 16.11.2007
Miquel Cabruja
Schubert, Franz: fierrabras, Label: EMI classics , VÖ: 02.11.2007
Neu diskutiert
Sein ganzes Leben lang hat Franz Schubert mit der Oper gerungen. Das Klischee des Liederkomponisten (und Sinfonikers), der an den Aufgaben und Bedürfnissen des Musiktheaters gescheitert sei, hält sich hartnäckig bis heute. Gemäß dieser Einschätzung gilt auch die 1823 von Schubert vollendete Oper ‘Fierrabras’ als sperrig, langatmig und wenig bühnenwirksam. Das liegt zu großen Teilen an der Handlung, die Josef Kupelwieser zur Zeit der Kämpfe Karls des Großen gegen die Mauren ansiedelte. Das verworrene Libretto nach mittelalterlichen Quellen wartet mit Liebesbanden quer durch die Religionen, mit Verrat und Treue, blutigen Kämpfen und bitterer Gefangenschaft auf. Das obligate Happyend bringt die Handlung zusätzlich in den Ruch übergroßer Konventionalität.

Sperrholz-Tannen

In letzter Zeit mehreren sich dennoch Versuche, auch diese Oper wieder in die Diskussion zu bringen. Im Jahre 2006 inszenierte Claus Guth den Stoff in Zürich frei von mittelalterlichen Assoziationen. Stattdessen zeigte er ein biedermeierliches Musikzimmer, in dem Schubert mit seinen Freunden eine Scharade veranstaltet. Der gehetzte Komponist zieht persönlich die Fäden der Handlung. Die Figuren führt er mit verbundenen Augen in den Raum, legt ihnen die Partituren in die Hand, die er oft genug gerade in diesem Augenblick vollendet hat, und greift als Sprechrolle auch in die Handlung ein. Das übergroße Mobiliar, in dem er und die anderen Figuren wie Kinder wirken, steht für Schuberts unbewältigten Konflikt mit dem Vater. Für die Zerrissenheit des Komponisten findet Guth das Bild der Persönlichkeitsspaltung: gleich drei der männlichen Hauptfiguren tragen sein Kostüm mit Nickelbrille und Lockenkopf. Dieses Regie-Konzept verspricht zwar interessante Einsichten, verliert jedoch zunehmend da an Stringenz, wo die Handlung unterschiedliche Orte und verschiedene Kulturen miteinander verbindet. Am wenigsten überzeugend ist der zweite Akt, in dem die bürgerliche Runde mit Brustpanzern und Tannen aus Sperrholz ausstaffiert, in die Schlacht gegen die Mauren zieht.

Ohne Einschränkung Spannend

Ohne Einschränkungen spannend ist die farbige Lesart der auch heute noch weitgehend unbekannten Musik durch Franz Welser-Möst. Mit Liebe zum Detail und Mut zu Brüchen geht er an die Partitur heran. Auf der Bühne steht ihm ein engagiertes Ensemble zur Verfügung. Christoph Strehl (Eginhardt) und Jonas Kaufmann (Fierrabras) als strahlend-lyrische Tenöre sind die eigentlichen Stars der Einspielung. Zusammen mit der dramatisch und differenziert singenden Juliane Banse (Emma) verleihen sie der Lesart Welser-Mösts eine vokale Qualität, die ein gute Grundlage für eine Neubewertung der lange vernachlässigten Oper schafft. Auf eine Inszenierung, die dem Stoff auch szenisch gerecht wird, wird ‘Fierrabras’ dennoch wohl noch eine Weile warten müssen.






 
 
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