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Musik & Theater, September 2011 |
Andrea Meuli |
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Humane Anteilnahme
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Claudio
Abbado betrachtet Beethovens Freiheitsoper nicht durch die Brille des
19. Jahrhunderts, ohne jede heroisch hochgestemmte Dramatik. Alles
bleibt kammermusikalisch, schlicht, ohne dynamische Exzesse, zutiefst
menschlich. Die Ebene des Singspiels wird nicht verleugnet, dennoch
gewinnt das Drama bei Abbado berührende Überzeugungskraft. Als
Beispiel höre man sich den Anfang des zweiten Aktes an. In Florestans
Worten "Die grauenvolle Stille" wird die leblose Ödnis des Kerkers
greifbar, in ruhig fliessendem Tempo, nirgends aufgeheizt, in sich
ruhend - bewegend. Jonas Kaufmann vermag es, diese subtil gezeichneten,
voller innerer Spannung vibrierenden Linien mitzugehen. Er ist kein
Florestan der brachialen revolutionären Auflehnung, vielmehr ein
Gebrochener, der noch einmal seine letzten inneren Kräfte zu sammeln
sucht. Nina Stemme als Leonore steht ihm an vokaler
Souveränität nicht nach und lässt uns mit ihrer menschlichen Wärme an
die Utopie einer besseren Welt glauben. Und mit ihr ein Ensemble, das
Abbados zutiefst humane Deutung ebenso mitträgt wie der einmal mehr
phänomenale Arnold Schoenberg Chor. |
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