kulturradio rbb, 26.7.2011
Kai Luehrs-Kaiser
 
Beethoven: Fidelio u.a. mit Jonas Kaufmann
Obwohl heute kaum noch Opernaufnahmen entstehen, hat man für Claudio Abbados „Fidelio“ eine (rentable) Ausnahme gemacht. Den eigentlichen Grund für diese live in Luzern mitgeschnittene Doppel-CD dürfte man indes am Namen des Labels ablesen können: Decca, das ist die Firma, für die Tenor Jonas Kaufmann (Florestan) exklusiv seine Platten macht.

Tuffig
Auch für die eigentümliche Bezeichnung des Orchesters: „Mahler Chamber Orchestra/Lucerne Festival Orchestra“ dürften vertragstechnische Gründe in Betracht kommen. Das alljährlich für Abbado nach Luzern kommende ‚Prominentenorchester’, dem so renommierte Stars wie Sabine Meyer, Reinhold Friedrich und Natalia Gutman angehören, besteht bekanntlich aus einem aufgestockten Mahler Chamber Orchestra (das indes sonst auf seinem eigenen Namen hier nicht besteht).

Abbado gelingt mit diesem Ensemble ein fabelhaft weicher, tuffiger und dabei doch kompakter Gesamtklang, wie er mit einem traditionellen Orchester nicht leicht möglich wäre.

Ausgeglichene Besetzung
An den typischen ‚Schleifspuren’ der Streicher erkennt man Spuren der historischen Aufführungspraxis. Im Vergleich etwa mit dem älteren „Fidelio“ von Nikolaus Harnoncourt steht Abbado eine ausgeglichenere Besetzung zur Verfügung. Nina Stemme, die mit ausladend reichem Vibrato die Leonore in der Tradition dramatischer Sängerinnen der Vergangenheit verortet, besitzt vielleicht keine wirkliche Schallplattenstimme. Allerdings ist ihre Rolle heute überhaupt kaum noch adäquat besetzbar.

Christoph Strehl (Jaquino) und Rachel Harnisch (Marzelline) sind bewährte Weggefährten Abbados. Falk Struckmann (Pizarro) ist gewohnt schurkisch. Christof Fischesser gibt einen guten Rocco.

Irgendwie doch packend
Und Jonas Kaufmann? Er klingt fast so metallisch, auch etwas verschattet, als wär’s Jon Vickers (ein berühmter Wagner-Recke). Leicht versteift, merkt man indes doch eine Virilität, eine Jugend und ein Ungestüm heraus, die in dieser Rolle nur selten anzutreffen ist. Insofern ein bedeutendes, geglücktes Rollenportrait innerhalb einer durchaus gelungenen Gesamtaufnahme. In den dramatischen Höhepunkten lässt sie die Mühe erkennen, welche die Freiheit macht. Irgendwie packt einen der Geist der Sache aber doch.
 
 






 
 
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