Klassik.com, 20.11.2010
Dennis Roth
 
Aus der Dunkelheit zum Licht
Düster und karg ist dieser 'Fidelio' nur im Hinblick auf die Szene; musikalisch ist diese 2004 im Opernhaus Zürich aufgeführte Inszenierung farbenreich funkelnd und intensiv. Die Regie Jürgen Flimms überzeugt mit einer differenzierten Personenführung, die zugleich immer Charakterzeichnung ist. Die Kostüme (Marianne Glittenberg) verorten das Geschehen in der Zeit Beethovens, das von Rolf Glittenberg entworfene Bühnenbild ist so einfach, ja dezent gehalten, dass es zwar keinen sonderlich tiefen Eindruck hinterlässt (mit Ausnahme der Kerkerszene), aber auch, und das ist das Gute, die Aufmerksamkeit völlig auf Musik und Schauspiel lenkt.

Nikolaus Harnoncourt leitet das transparent und plastisch musizierende, hauseigene Orchester mit Verve und einer beeindruckenden Umsicht. Eine elektrisierende Spannung verbreitet sogleich die Ouvertüre (die denn auch mit begeistertem Beifall bedacht wird); dass das Schlusstutti im packenden Finale etwas unausgewogen und schlicht zu schnell dargeboten wird, fällt dagegen nicht weiter ins Gewicht. Superb, wie gefühlvoll die Hörner Fidelios, d.h. Leonores Arie 'Komm, Hoffnung, lass den letzten Stern' begleiten. Die Sopranistin Camilla Nylund liefert ein ergreifendes Porträt Leonores, die, als Fidelio verkleidet, ihren eingekerkerten Gatten Florestan vor dem Tod errettet; geradezu entfesselt ist ihr – stets sicher artikulierter, ausgewogener – Gesang, als sie sich zu erkennen gibt. Marzelline, die Tochter des Kerkermeisters Rocco, den László Polgár mit schwammiger Diktion und etwas unrundem Bass, aber nicht ohne Bühnenpräsenz gibt, bleibt am Ende als einziges Opfer zurück: Denn Fidelio war ihr zum Mann versprochen. Dass Marzelline (glaubwürdig: Elizabeth Rae Magnuson) sich während des finalen, von hohem Ethos getragenen Jubels erschießen möchte, ist da nur konsequent. Christoph Strehls solider Jaquino, der Marzelline liebt, kann sie gerade noch davon abhalten.

Hand in Hand stehen Leonore und Florestan vor dem nun ins Licht getauchten Chor der Befreiten (den Ernst Raffelsberger hervorragend einstudiert hat). Jonas Kaufmann gibt hier sein Rollendebüt als Florestan. Sein nobler, gut geführter Tenor macht deutlich, dass die geschundene Kreatur, die im Kerker auf den Tod wartet, ihre Menschlichkeit nicht verloren hat. Seine Arie 'Gott! Welch Dunkel hier', nach der kompromisslosen Introduktion zum zweiten Akt, ist zweifelsohne einer der Höhepunkte der Aufführung. Eingesperrt hat ihn Pizarro, der ihn nun, da der Minister eine Untersuchung anberaumt hat, eigenhändig zu ermorden sucht. Alfred Muffs Tyrann ist fraglos präsent – und doch bleiben Pizarros Boshaftigkeit und Verschlagenheit seltsam undefiniert. Er wird nicht abgeführt, sondern, als er inmitten des Chors umherirrt, erschossen, was leider vollständig untergeht und die einzige verschenkte Idee der Regie ist. Muffs beweglicher Bariton bereichert die Ensembles, die sämtlich ausgeglichen und klangschön sind wie etwa das duftig sich entfaltende Quartett 'Mir ist so wunderbar'. Die wenigen Dialoge und Monologe, die Beethovens hier in der endgültigen, dritten Fassung vorliegende Oper in die Tradition des Singspiels einordnen, fügen sich nahtlos ein. Günther Groissböck als Don Fernando, Idealgestalt des aufgeklärten Politikers, bestätigt das hohe Niveau dieser Aufführung.
 
 






 
 
  www.jkaufmann.info back top