Kultur Port, 8. Dezember 2015
Geschrieben von Hans-Juergen Fink
 
Jonas Kaufmann – mehrfach
Jonas Kaufmann, Star-Tenor aus München und auf allen bedeutenden Bühnen der Welt zuhause, steht derzeit gleich mit vier Alben in den Top Ten der Offiziellen Deutschen Klassik-Charts: Als Spitzenreiter mit seinem aktuellen Puccini-Album „Nessun Dorma“, mit den Operettenschlagern von dessen Vorgänger „Du bist die Welt für mich“, mit einer Gesamtaufnahme von Verdis „Aida“ und mit Puccinis „Manon Lescaut“ auf DVD. Er könnte bald noch mehr Plätze erobern. Was hat dieser Tenor, das andere nicht haben?

Das kann man sich zum Beispiel auf seiner jüngsten Opern-DVD anschauen: Puccinis in einem Goldgräber-Camp im wilden Westen spielende „La Fanciulla del West“ – aufgenommen Ende 2013 in der Wiener Staatsoper. Kaufmann singt den hergelaufenen Banditen Dick Johnson. Und lässt wie kein Zweiter dessen sehnsuchtsvolle, schmachtende, verwundete, verliebte Seele sichtbar werden. Die Aufnahme zeigt ihn mit seinen damals 44 jugendlichen Jahren, die Stimme kraftvoll im Zenit. Was er durchaus braucht, denn seine Winnie, die man von den stimmlichen Anforderungen her gern als Brünnhilde des italienischen Meisters bezeichnen darf, ist keine Geringere als die Walküre-erprobte Nina Stemme.

Vielleicht schärft gerade ihre vokale Wucht die Wahrnehmung des eher zurückhaltend agierenden Jonas Kaufmann. Er spielt den Schurken, der qua Stimmlage schon gegenüber dem verschlagenen Sheriff-Beriton als Guter positioniert ist, hinreißend scheu, fast introvertiert, dabei fordernd und unsicher zugleich. James Dean als Tenor, mehr geht kaum. Ein Kollege von mir meint, der Dick Johnson Jonas Kaufmanns würde es selbst bei abgedrehtem Ton noch schaffen, dass die Zuhörerinnen schmachtend an seinen Lippen hängen. Vorteil Latin Lover.

Ein wunderbar baritonal gefärbter Tenor mit wärmendem Bronzeton
Bei aufgedrehtem Ton bezaubert Kaufmann vor allem durch seinen wunderbaren, eher baritonal gefärbten Tenor, dessen wärmender Bronzeton unter die Haut geht und bis in dunkle Tiefen reichen kann. Wobei vor allem seine Fähigkeit fasziniert, seinen Ausdruckskosmos mit vielen unterschiedlichen Stimmfarben zu füllen – wenn er sich denn mal frei macht vom heldischen Grundton, den das Publikum bei einem Weltstar offenbar als einziges erwartet. Den tenoralen Strahl bricht er immer wieder durch wunderbares Pianissimo, das Heroische erledigt er ohne gleißende und schneidende Schärfe, über die ganze Strecke gesehen wirkt er eher zurückhaltend, was in dieser Rolle, wo ihn die liebende Frau aus ziemlich misslichen Lagen herausholt und ihn am Ende sogar vor dem Strick bewahrt. Dafür dürfen sie dann mit einem regenbogenbunten Heißluftballon aus der emotionalen Hölle des Camps entschweben.

Es ist bei Kaufmann gerade die nicht allzu häufige Einheit von großartiger Darstellung und hoher Gesangskunst, mit der er seine Fans betört. Er spielt absolut überzeugend, wozu ihm die Regie von Marco Arturo Marelli auch viel Raum lässt. Und er schafft es, auch musikalisch, auf schmalen Grat, der bei Puccini Kunst und Kitsch trennt, nicht auszugleiten.

Dazu Puccinis Partitur, die Franz Welser-Möst mit Orchester und Chor der Wiener Staatsoper bis in feinste Nuancen traumhaft sicher interpretiert. Der Komponist selbst hatte sie als seine gelungenste bezeichnete. Zu seinen modernsten gehört die „Fanciulla“ sowieso, die Musik beschwört ein imaginären amerikanischen Westen – so wie „Madama Butterfly“ Japanisches skizziert oder „Turandot“ Chinesisches. Und nicht selten hat man das Gefühl, dass Puccini hier schon spielt mit den illustrierenden Klangmöglichkeiten, die das neue Medium Film für den Umgang mit handlungsbegleitenden Tönen aufzeigt.
Ein großer Opernabend mit zwei Weltstars auf Augenhöhe.







 
 
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