Opernglas, 12/2015
A. Laska
 
La fanciulla del West
Und noch einmal Jonas Kaufmann! Auch sein Wiener Auftritt als edler Bandit Dick Johnson in Puccinis »La Fanciulla del West« vom Herbst 2013 hat nun den Weg auf DVD gefunden. In Lederweste und Holzfällerhemd macht er jederzeit bella figura. Stimmlich kosteteralle Nuancen aus, die Puccini seinem Westernhelden in den Mund gelegt hat, imponiert aber auch mit machtvollen Spitzentönen ä la Mario del Monaco. Wieder einmal bestätigt sich: Puccini und Kaufmann, das passt zusammen. Mit Latzhose und roter Kurzhaarperücke führt sich Minnie alias Nina Stemme ein, ein stämmig-resolutes spätes Mädchen mit ebensolcher Stimme, die in den Spitzenregionen schon mal forcieren muss. Umso eindrucksvoller, wenn sie sich im zweiten Akt zur liebenden Frau wandelt. Anfangs noch unsicher im dekolletierten roten Kleid und den ungewohnt hohen Schuhen, wächst sie auch stimmlich über sich hinaus, um den Geliebten den Fängen des Sherriffs zu entreißen. Diesen zeichnetTomasz Konieczny als ungewohnt verletzlichen Charakter. Dass Minnie ihn zurückweist, trifft ihn zutiefst, dass sie gar einen anderen Mann ihm vorzieht, macht ihn zur Bestie. Da bleibt zum Schluss nur noch der Griff zum Revolver. Stimmlich kann Konieczny nicht mit seiner schauspielerischen Leistung mithalten, zu sehr stören die oft hässlich gequetschten und verfärbten Vokale.

Was diese DVD aber über die Protagonisten hinaus sehenswert macht, ist die bemerkenswerte Ensembleleistung. Regisseur Marco Arturo Marelli, der die Handlung aus dem Goldrausch-Zeitalter in eine Bergarbeitersiedlung des späten 20.Jahrhunderts verlegt hat, hat jede einzelne Figur individuell ausgeformt. Die lange Genreszene, die Minnies erstem Aufritt vorangeht — oft eine Durststrecke in »Fanciulla«-Aufführungen wird hier zum Kabinettstück gelungener Personenführung, das am Bildschirm sicher noch besser zur Geltung kommt als im Theater. Und auch stimmlich gibt sich niemand eine Blöße.

Getragen wird der Abend auch vom herausragenden Dirigat des damaligen Wiener GMDs Franz Welser Möst. Mit präzisem Schlag modelliert er die zahlreichen Ensembleszenen, zeigt auf, welcher Reichtum in Puccinis Orchestrierung steckt. Doch wenn sich dann aus den Parlandostellen heraus die berühmten Puccinibögen formen, dann kommen auch die Freunde melodischer Gefühlsaufwallungen auf ihre Kosten.







 
 
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