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Kultur Port, 30. September 2014 |
Claus Friede |
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Traumfabrik Berlin – Jonas Kaufmann singt Operette |
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Ist
es Anachronismus in eine Vergangenheit musikalisch einzutauchen,
die von einer schönen und heiteren Welt erzählt, während um
dieselbe herum zwei Kriege tobten? „Du bist die Welt für mich“
heißt eine soeben erschienene CD, auf der von Jonas Kaufmann,
dem Tenor „mit der goldfarbenen Honigstimme“ (The Sydney Morning
Herald), Evergreens der Ära zwischen 1925 und 1935 erklingen.
Begleitet vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Jochen
Rieder und bei drei Stücken begleitet von der Sopranistin Julia
Kleiter, genießt der wohl eher ältere Hörer Lehár, Tauber,
Benatzsky, Stolz, Abraham und andere.
Laufen die sechzehn
Stücke hintereinander durch, ist es als ob ich im Wohnzimmer
meiner Großeltern in Berlin säße, die die Musikhits aus Operette
und Tonfilm ihrer Jugendzeit genießen. Unwillkürlich werde ich
zurückversetzt und erinnere mich an deren Erinnerungen und
Erzählungen: „ja – damals“. Altersheime sind voll von der Musik
jener Zeit. Nur irgendetwas ist anders. Klar, die Qualität
der Aufnahme, kein Lagerfeuerknacken, kein rauschender
Tonträger, alles digitale Qualität aus dem Jahr 2014. Nein,
anders ist, dass eine einzige Stimme, so viel Variabilität hat.
Jonas Kaufmann schafft den Spagat von Leichtfüßigkeit bis zum
Heldenton. Er macht weder den Fehler all die Stücke in einer
stringenten Weise und damit gleichklingend abzuliefern, noch die
Hitparade der Zeit nachzuahmen. Anders ist auch, dass das
Publikum seiner Live-Auftritte durchaus jünger ist. Die
Stücke sind wohlbedacht und die Choreographie macht Sinn, denn
sie ist ein Zeitzeugnis, ein Kulturdokument einer
vermeintlichen, jedoch herbei gesehnten „Leichtigkeit“, sie ist
Charakterisierung eines gemeinsamen Geschmacks, der
offensichtlich bis heute Bestand hat. Und unschlagbar ist auch
der augenzwinkernde, teils sarkastische Humor der Zwanziger.
Das große Erfolgsduo in Berlin (jedoch nicht in Wien!) waren
Komponist Franz Lehár und Tenor Richard Tauber. In der deutschen
Hauptstadt hatten sie den großen Erfolg mit ihren Werken, die in
Wien eher mit Spott von Kritikern und Kabarettisten zerpflückt
wurden. Im dreisprachigen Begleitheft ist dann auch ein
herrliches Spottgedicht von Friedrich Hollaender abgedruckt, das
nicht Tauben, sondern Tauber vergiftet haben könnte: „Fleck
auf der Schleife? Nimm Tauber-Seife. Kleine Erfrischung?
Nimm Tauber-Mischung. Tauber als Gatten, Tauber auf
Platten, Tauber zum Nachtisch, Tauber im Nachttisch,
des Stimme so lind strömt wie lenzliche Luft des Name
verfolgt dich bis noch in die Gruft.“
Bissig gut!
Omnipräsenz eines Sängers, die verdächtig erschien. Jemand der
so bei den Massen ankommt, der kann ja keine hohe, wahre, gute
Kunst hervorbringen. Die Geschichte lehrt uns, dass wir mit
jedem einzelnen Urteil auch daneben liegen können. Humor sei
davon ausgeschlossen. Das Begleitheft widmet sich der Dekade
ausführlich und verbindet diese gut mit CD und Inhalten.
Was jeder einzelne über sein Gehör und atmosphärisch entdecken
kann ist die Freude, mit der Kaufmann singt, er taucht tief in
die Gefühlswelt der ewigen Liebe und des Glücks und
interpretiert sie nicht wie ein Opernsänger, sondern wie ein
überzeugter Unterhaltungsfütternder. Selbst bei den
ausgesprochen schwierigen Stücken wie Eduard Künnekes „Das Lied
vom Leben des Schrenk“ aus „Die große Sünderin“. Er macht das
gut, er macht das intelligent, er macht das überzeugend. Da
steht er auf dem CD-Cover und im Trailer abgelichtet vor einem
historischen Mikrophon und die Frage: „wieso Operette?“ –
erübrigt sich alsbald.
Wortwitz und positives
Lebensgefühl sind eine unschlagbare Rezeptur. Und Achtung!
Ansteckungsgefahr!
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