|
|
|
|
|
Rondo Magazin |
Robert Fraunholzer |
|
Jonas Kaufmann - Balzen, ohne zu ballern |
|
Dem Heldentenor aller Klassen
gelingt auf seinem Album das Unmögliche: Er küsst wirklich die Operette
wach! |
|
Die
Dame in Bayreuth schimpft. Schwierige Inszenierungen. Die
Besetzungen sind nicht mehr das, was sie mal waren. Sie will
wiederkommen, erklärt sie überraschend. Und dann bricht die
eigentliche Frage aus ihr heraus: „Sagen Sie mal, hat sich der
Jonas Kaufmann selber von seiner Frau getrennt? Oder sie sich
von ihm?!“ Tja. Die Frage können wir gleich einmal
weiterreichen. „Entschuldigung, aber das ist Privatsache, das
gehört nicht hierher“, wiegelt Kaufmann per E-Mail sogleich ab.
Der Tenor, im Internet-Chat zur Operetten-Platte, darf wegen
einer vorübergehenden Kehlkopf- Affektion nicht reden – zu viel
gebrüllt, Löwe?!
Ein paar leichtfertige
Operetten-Assoziationen müssen schon erlaubt sein. Zumal
Kaufmann, den seine Schallplattenfirma als zurzeit
„erfolgreichsten Tenor der Welt“ verkauft, auf seiner neuen CD
„Du bist die Welt für mich“ gar nicht wie eine Wienerische
Schmalzbacke oder wie ein schluchz- und tränenfeuchter Johann
Strauß-Buffo daherkommt. Sondern sehr cool. Mit schwarzem
Schlipps – und nur echt mit Drei-Tage-Bart. „Die Überlegung war,
von dem Klischee des ‚Operetten-Kavaliers mit Zylinder und
Stock’ wegzukommen“, sagt Kaufmann. Folglich erinnert der
geborene Münchner auf dem Cover seiner CD eher an Robbie
Williams vorm Mikro. Und die Operette ans Ballroom-Repertoire
der 20er Jahre.
Das passt, ehrlich gesagt, gar nicht
schlecht. Als „charmante Evergreens“ bezeichnet Kaufmann die
Lieder und Arien von Lehár, Abraham, Stolz, Künneke, Spoliansky
und Werner Richard Heymann. Früher rechnete man derlei meist zur
„silbernen Operette“. So entspannt, druckfrei und anregend wie
hier hat man die Lieder aber fast nie gehört. Und Jonas Kaufmann
auch nicht. „Chapeau!“ wäre zu altmodisch gesagt. Kaufmann
gelingt hier, was noch keinem in den letzten Jahren gelang:
Operette zu singen, ohne in die Pantoffel-Falle zu tappen.
Der Schlüssel zum Operetten-Paradies liegt in diesem Fall in
den Arrangements und im Spiel des Rundfunk-Sinfonieorchesters
Berlin unter Jochen Rieder. Hier wird endlich einmal nicht in
die Breite gezogen, nicht monumentalisiert oder mit Schmand,
Speck und Scheinheiligkeit nachgeschmiert. Sondern schlank und
glimmend das elektrische Zeitalter beschworen. Dem entstammen
diese Titel wirklich – und das ist genau der Unterschied zur
„goldenen Operette“ von Strauß und Millöcker. Folglich hört man
gleichsam den Bar-Scheinwerfer auf der Stimme von Kaufmann.
Garantiert ohne Wagnerei.
Da zahlt sich letztendlich
aus, dass Kaufmann, inzwischen 45 Jahre alt, eben kein junger,
grüner Bühnenhüpfer mehr ist. „Schon in meinem letzten
Studienjahr“, so erzählt er, habe er in Regensburg „den
Caramello in der ‚Nacht in Venedig’ gesungen“. Als Anfänger in
Saarbrücken folgte der Alfred in der „Fledermaus“. „Danach kam
noch Sigmund Rombergs ‚Student Prince’ bei den
Schlossfestspielen in Heidelberg.“ Kaufmann hat sich die
Operetten-Hörner gründlich abgestoßen, bevor er, klug beraten,
die Operette mitnahm auf die Reise der „Roaring Twenties“ – wo
sie ja in Wirklichkeit auch herkommt.
Jonas
Kaufmann ist ein Wunderwerk schmalzfreien Schmeichelns gelungen.
Immer schon hatte Kaufmann darauf bestanden, zwischen den
verschiedenen Repertoires rabiat zu pendeln. ‚Heute schöne
Müllerin, morgen Cavaradossi!’, lautete seine Devise. Das bleibt
so auch bei dieser Operetten-Butterfahrt. „Es würde mich extrem
langweilen, mit fünf, sechs Erfolgspartien durch die Welt zu
reisen“, meint er. Er wechselt lieber ab. Und knüpft so an
Usancen vergangener Zeiten an, wo Tenöre an einem Stadttheater
alles singen mussten was vorkam. Nicht nur, aber auch ganz
leichtes Fach.
„Dass Operette inzwischen als
Spezialisten-Sache gilt, wundert mich im Zeitalter der
Spezialisierungen nicht – aber ich finde es nicht richtig“, sagt
er. „Zu Zeiten des Ensembletheaters war es selbstverständlich,
dass ein Tenor in einer Woche den Tamino und den Alfred, eine
Sopranistin die Susanna und die Adele singen konnte.“ Also Oper
und Operette. Versatil bis zum Abwinken. Und bis die
Theaterferien da sind.
So sind Partien wie der Su-Chong
im „Land des Lächelns“ – Kaufmann singt daraus „Dein ist mein
ganzes Herz“ – so anspruchsvoll wie romantische
Liebhaber-Rollen. Korngolds „Glück, das mir verblieb“ aus der
„Toten Stadt“ (ein Werk, das er besonders gern auch auf der
Bühne singen möchte) balanciert ohnehin auf der Grenze zwischen
beidem. Über „Das Lied vom Leben des Schrenk“ aus Eduard
Künnekes „Die große Sünderin“ bekennt er rundheraus: „Kein Stück
hat mich in den letzten Jahren so gefordert wie dieses; dagegen
sind die Monologe des Otello fast ein Spaziergang.“
In
vielen Fällen knüpft Jonas Kaufmann erstmals an große Vorgänger
an, die das Image dieses Repertoires seinerzeit prägten. Und er
weiß das. „Nach Helge Rosavenge haben nur noch Rudolf Schock und
Fritz Wunderlich diesen Titel von Künneke gesungen.“ Auch das
„höchst charmante“ Lied „Im Traum hast du mir alles erlaubt“ von
Robert Stolz (für den Film „Liebeskommando“) habe er „in der
Aufnahme von Marcel Wittrisch kennengelernt“. Das Album bietet
nicht nur eine Bonbon-Tüte für flüchtigere ‚Kinobesucher der
Klassik’. Sondern auch etwas für Stimm-Fetischisten, die den
frivolen Nachrücker am Altmeister messen wollen.
Jonas
Kaufmann gibt es, bei Lichte besehen, schon wesentlich länger,
als das große Publikum ihn kennt. Bei seinem Durchbruch 2006 in
New York war er ja bereits Ende 30. Trotzdem sind seine Alben in
den letzten Jahren immer noch besser geworden. Von der Vorliebe
für stimmliche Dauererregung, die manchmal irritierte, ist
diesmal – trotz mancher heldischen Farbe – nichts zu spüren.
Völlig neue Farben, entdeckt an den ganzen „Diwanpüppchen“, am
„Blonden Traum“ der Operettensegler und an der „Großen Sünderin“
der Berliner Buletten-Sause. Lange nicht klang die Operette so
wenig aufgetakelt. Oder abgetakelt.
Fazit als Happy End:
Jonas Kaufmann ist ein Wunderwerk schmalzfreien Schmeichelns
gelungen. Er erobert, ohne im Mindesten den Spießer raushängen
zu lassen. Und balzt, ohne zu ballern. Derart einnehmend, ja
betörend, brauchen wir uns auch privat keine Sorgen zu machen.
Er wird nicht lange solo bleiben.
Ballroom-Operette
Unter „Silberne Operette“
versteht man jene Komponisten- Generation, die auf die Strauß-
Dynastie folgte. Etliche von ihr, darunter Emmerich Kálmán,
Robert Stolz, Paul Abraham und Ralph Benatzky, mussten während
der Nazi- Zeit emigrieren. Ebenso Mischa Spoliansky und Werner
Richard Heymann. Einzig Franz Lehár war mächtig genug, um mit
seiner jüdischen Ehefrau in Österreich zu verbleiben. Wenn Jonas
Kaufmann auf dem Cover seiner neuen CD vor einem Mikrofon der
50er Jahre steht, so führt das also streng genommen in die Irre.
Macht aber dennoch Sinn aufgrund der Vintage-Arrangements, die
von Komponist Andreas N. Tarkmann stammen. So ist es: Silberne
Operette im Ballroom-Stil. |
|
|
|
|
|
|