Halterner Zeitung, 15.8.2012
Von Julia Gaß
 
Jugendliche "Carmen" zum Ende einer Ära
 
Es war das Ende einer Ära: Nach 45 Jahren verabschiedeten sich die Berliner Philharmoniker von den Salzburger Osterfestspielen. Künftig geben Thielemann und seine Sächsische Staatskapelle Dresden dort den Ton an. Bizets "Carmen" war die Abschiedsproduktion - unter Leitung von Simon Rattle (Foto), seiner Ehefrau Magdalena Kozena in der Titelrolle und Jonas Kaufmann als José.

Diese "Carmen" erscheint am 24. August auf einer Doppel-CD (Foto, hübsch aufgemacht in einem kleinen Büchlein). Den Vergleich gab's am Mittwoch bei den Salzburger Sommerfestspielen - in identischer Solistenbesetzung, auch mit Rattle am Pult, nur mit den Wiener Philharmoniker statt den Berlinern.

Die Berliner "Carmen" auf der CD klingt jugendlich und frisch, schlank im Ton und temperamentvoll. Der "Opéra comique" steht sie näher als der "Grand Opéra"; sie klingt durchsichtig, aber nicht so filigran wie bei Minkowski.

Erotische Stimme

In weiten Teilen ist es ein Bizet im Mozart-Ton, den Rattle ausbreitet; zwischendurch lässt es der 57-jährige Brite auch krachen und erinnert an die legendären Einspielungen der Oper von Karajan mit den Berlinern.

Zu Kozenas schlankem, biegsamen Mezzo passt die durchsichtige Anlage ihres Ehemanns. Larmoyanz und Erotik hat die 39-jährige Tschechin in der Stimme, auch wunderbar zarte Momente, in denen sie mit gehauchten Spitzentönen flirten darf.

Lust und Leidenschaft

Die Österreicherin Genia Kühmeier ist als Micaela das kraftvolle Pendant. Mit flutendem Sopran, der sich üppig über laute Orchesterklänge ergießt, ist sie die Entdeckung dieser Aufnahme.

Jonas Kaufmann verführt als José mit großem lyrischen Tenor und lässt Kostas Smoriginas als Escamillo oft blass klingen. Es ist eine Lust, den Berlinern zuzuhören in diesem lustvollen Spiel, das mehr nach Verführung als nach Leidenschaft klingt.
 
 






 
 
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