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Ostthüringer Zeitung, 7. November 2008 |
Von Dr. sc. Eberhard Kneipel |
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Die große Verführung
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Welche
Stimmen! Welche Leidenschaften! Was für eine Aufführung!
Experimente braucht die Regisseurin Francesca Zambello nicht, um Klasse zu
beweisen. Auch ohne Spektakel zählt sie zu den weltweit gefeierten Größen
des Musiktheaters. Ihre Carmen am Königlichen Opernhaus London setzt auf die
Kraft des Originals und lässt dem Zuschauer den eigenen Blick. Sie
inszeniert Schicksale und keine Ideen, spürt selbst die winzigsten Details
in Bizets Dauerbrenner mit immenser Tiefenschärfe auf und entdeckt hinter
buntem, verlockendem, aufreizendem Schein eine Welt, die Freiheit suggeriert
und Manipulation ist. Nackte Begierde und kalte Berechnung, unerfüllte Liebe
und vergebliches Hoffen führen zu einer Gefühlsexplosion ohnegleichen; die
Handlung birst vor dramatischer Kraft. Doch das nicht von ungefähr: Anna
Caterina Antonacci ist eine Carmen von unglaublichem Format. Eine rassige
Verführerin und lockende Flamme, an der sich die Männer scharenweise
verbrennen. Eine stolze, heißblütige Frau, die Glück sucht und Unglück
bringt - am Ende auch sich selbst. Jonas Kaufmann gibt dem Don José ein
vielschichtiges, beeindruckendes Porträt: naiv und verletzlich, ein Macho
und ein zutiefst Verzweifelter. Beide feuern sie das Star-Ensemble und ein
erotisches Spiel an, das sich mit üppigen Bildern und praller Lust als
Thriller und Psychodrama outet. Antonio Pappano setzt vom Pult aus die
musikalischen Akzente. Und die DECCA-DVD gibt das große Erlebnis wieder.
Aufregend! |
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