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Fono Forum, April 2009 |
Gerhard Persché |
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Fulminanter Tenor
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Wer
ist Carmen? Femme fatale, Außenseiterin, Freigeist, mediterrane Schwester
von Lulu, Leitbild der Befreiung bürgerlicher Frauen von familiärer
Tradition? Fragen, die Francesca Zambello offenbar nicht interessierten.
Denn die handwerklich kompetente, auch beim Musical beheimatete Regisseurin
stellte an Covent Garden bloß eine sich dem Massengeschmack anbiedernde Show
auf die Bühne, wobei sie sich einiges von Francesco Rosis „Carmen“-Film
abgeschaut haben dürfte. Gut fürs Box Office; die Vorstellungen waren
überbucht. Was sie wohl auch gewesen wären, hätte Zambello ihre
Hauptdarstellerin nicht nur als eine Art jüngere Schwester von Blanche
Deveraux aus den „Golden Girls“ über die Bühne bewegt.
Denn Anna Caterina Antonacci hat das Potential zur jedem Klischee
entrinnenden Carmen, ist eine intensive Darstellerin — was sie so recht erst
in der Schlussszene mit Jonas Kaufmanns fulminantem José beweisen darf.
Ildebrando D‘Arcangelo gibt einen sympathischen, vokal etwas knorrigen
Escamillo, singt das Torero-Lied spektakulär zu Pferde. Norah Amsellem ist
eine rollenadäquat solide Micaela. Maestro Antonio Pappano sieht die
Partitur mit den Augen Nietzsches: Niemals schwitzt die Musik, bleibt stets
schlank, biegsam, unsentimental. Im Mittelpunkt aber steht Carmens
verzweifelter Liebhaber in Jonas Kaufmanns sängerisch und darstellerisch
großartiger Interpretation. Die Oper sollte ohnehin „Don José" heißen. Es
ist ja im Grunde seine Story, die sie erzählt — die Geschichte von einem,
der auszog, das Lieben zu lernen.
Szene ***
Musik *****
Bild/Klang **** |
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