|
|
|
|
|
Klassik.com, 13.01.2009 |
Miquel Cabruja |
|
Bizet,Georges: Carmen |
Lange keinen solchen Don José gehört
|
|
Bizets
'Carmen' gehört zu den schwierigsten Übungen für heutige Regisseure.
Nirgends liegen Kitsch und Kunst, Klischee und Drama so eng beieinander.
Francesca Zambello versetzt die Handlung der Oper in die Zeit ihrer
Uraufführung (1875) und entwirft hitzeflirrende Szenen, in denen Carmen zur
Folie für die unterdrückten sexuellen Phantasien einer repressiven
Gesellschaft wird. Die Regisseurin konzentriert sich auf minutiöse
Personenführung, narrative Genreszenen und sorgfältig arrangierte
Stimmungsbilder. Trotz echter Esel und andalusischer Hengste macht Zambello
aus der beliebtesten Oper aller Zeiten kein Ausstattungsspektakel. Ihr
Realismus ist konsequent: So brutal und nüchtern habe ich den Mord in der
Schluss-Szene noch nie umgesetzt gesehen.
Mit aggressiver Erotik
Für ein solches Konzept braucht es überzeugende Darsteller. Anna Antonacci
und Jonas Kaufmann sind als Carmen und Don José ein richtiges Traumpaar, das
miteinander interagiert, in seinen Rollen aufgeht und diese auch optisch
glaubhaft verkörpert. Schon mit dem ersten Auftritt von Antonacci fängt die
Bühne Feuer. Ihre Carmen ist eine Frau, die mit aggressiver Erotik und
feurigen Flamenco-Einlagen die Männer manipuliert, die sie zum Objekt
machen. Zu ihrem schauspielerischen Talent kommt eine dramatische Stimme,
die sie mit Energie und Temperament einzusetzen weiß. Antonnaci setzt jedoch
nicht nur auf Lautstärke. Ihr Rollenportrait kann durch geschmackvolle
Linienführung, deutliche Aussprache und interpretatorische Intelligenz auch
gesanglich überzeugen.
Neurotischer Sonderling
Der deutsche Latinlover der Opernszene, Jonas Kaufmann, ist für diese
Carmen ein idealer Partner. Kaufmann betont die neurotischen Züge des Don
José und deutet den Sergeanten aus dem fernen Baskenland als einen
Sonderling, dem man den Eifersuchtsmord am Ende der Oper von Anfang an
zutraut. Billige Verismo-Effekte hat Kaufmann jedoch nicht nötig. Er erweist
sich erneut als einfühlsamer und intelligenter Darsteller, der den
musikalischen Anforderungen nichts schuldig bleibt. Kaufmann singt mit
makelloser Technik und gestaltet mit herrlichen Zwischentönen. Geradezu
traumhaft sind die großen Arien mit zwingender Dramatik, endlosem Legato und
schillernden Piani – lange hat man keinen solchen Don José hören können.
Mit der engelhaften Micaëla von Norah Amsellem und dem gefährlich
attraktiven Escamillo von Ildebrando d’Arcangelo sind auch die Nebenfiguren
dieser Produktion hervorragend besetzt. Antonio Pappano dirigiert das
Orchestra of the Royal Opera House zupackend und lebendig. Die tänzerischen
Passagen gelingen genau so wie die lyrischen Zwischenspiele und dramatischen
Arien. So muss Carmen klingen. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|