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Opernglas, Mai 2009 |
J. Bartels |
Madama Butterfly
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Sie
ist eine Seltenheit geworden, die Operngesamtaufnahme im Studio. Ihren
Höhepunkt erlebte sie in den 70er- und 80er-Jahren, als Dirigenten zunehmend
die Möglichkeiten nutzten, auf der Konserve idealisierte Klangvorstellungen
umzusetzen, die live so nicht zu erzielen waren. Eine Mozartsopranistin als
Idee einer Isolde, die Mimi als Turandot. In allem am Extremsten war dabei
Technikfreak Herbert von Karajan vorgegangen, dessen berühmte und legendäre
Puccini-Einspielungen mit den perfekten Solisten Mirella Freni und Luciano
Pavarotti die dynamischen Extreme so exzessiv auslotete, dass diese
LP-Aufnahmen nicht mehr mit einer einzigen Lautstärkeeinstellung
zufriedenstellend durchgehört werden konnten.
Nicht nur Kostengründe, sondern auch geradezu eine Überflutung der Märkte
mit Livemitschnitten auf DVDvon praktisch allen Opernhäusern dieser Welt
bereiteten diesem Format des Klangdokuments ein fast abruptes Ende.
An die Ära des technisch idealisierten Klangs erinnert nun eine neue
»Butterf1y» bei EMI, auf der der mittlerweile etwas matter umflorte, in
dergut fokussierten Höhe aber unvermindert strahlkräftige Sopran von Angela
Gheorghiu als Cio-Cio-San das Herz jedes Aufnahmetechnikers höher schlagen
lassen musste. Jonas Kaufmann (Pinkerton) setzt an ihrer Seite als
amerikanischer Soldat auf Abenteuersuche baritonal männliche Erotik genauso
wie technisch versierten Puccini-Schmelz ein. Kaum einzuschätzen, ob
diese Stimmen in dieser Oper auf der Bühne überhaupt zueinander passen
würden, der Eindruck in seiner realisierten Perfektion ist auf CD enorm. Ein
bisschen Retro dabei auch das studiobedingt etwas sterile Dirigat von
Antonio Pappano, der mit der Accademia Nazionale di Santa Cecilia die
Orchesteremotion ebenso perfekt austariert. Dass —anders als bei mancher
live mitgeschnittenen Premiere — auch in der Besetzung aller weiteren
Partien große Sorgfalt waltete und mit Enkelejda Shkosa als Suzuki und Fabio
Capitanucci als Sharpless prächtige Stimmen zu genießen sind, versteht sich
bei einem solchen Projekt fast von selbst.
Dass man eine solche Meisterleistung, die als eine der wenigen große Oper im
blank polierten Klangrausch bietet und für einen Opernfreund selbst mit
großer CD-Sammlung als Dokument der aktuellen Sängergeneration von großem
Reiz sein sollte und kein Wegwerfprodukt sein will, vermarktet, indem man
Cover, Box und Booklet wie bei einer Wiederveröffentlichung aus den „guten
alten“ 60er-Jahren gestaltet, mag eine Werbeidee sein und das rückwärts
gewandte Diven-Ego der Titelinterpretin, die sich vielleicht in genau dieser
Tradition sieht, bedienen. Qualität und Detailarbeit, Divenwert und
Stimmqualität als durchaus modernen und trotz völlig veränderter
Rahmenbedingungen hoch aktuellen Anspruch zu verkaufen, wäre vielleicht
sogar noch etwas zielführender gewesen. |
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