Badische Zeitung, 1. April 2009
Alexander Dick
Zwei Opern, drei Diven
 
Die Opernwelt braucht ihre Diva. Es dürfen auch gern ein paar sein, die sich den Rang streitig machen, denn Diven-Zickenkriege haben schon seit den Anfängen der Gattung das Geschäft gefördert. Also kann es sich im Grunde nur theoretisch um einen Zufall handeln, dass zwei große Klassiklabels nahezu zeitgleich mit jeweils einer neuen Operngesamtaufnahme auf den Markt gekommen sind. Angela Gheorghiu als Puccinis "Madama Butterfly" bei der EMI versus Anna Netrebko und Elina Garanca als Julia und Romeo in Bellinis "I Capuleti e i Montecchi" bei der Deutschen Grammophon/Universal – die drei großen Diven singen um die Gunst des Publikums. Und nicht nur das – sie spielen auch perfekt ihre Rollen im Promotion-Begleitkonzert – auf den Titelseiten so mancher Fachzeitschrift oder gerade auch im Interview im aktuellen Spiegel. Dort kokettiert die gebürtige Rumänin Gheorghiu mit ihrem Image als "Draculette", als bissige und kapriziöse Primadonna und verkündet gleichzeitig in perfekter Divenpose ganz unbescheiden: "Ich will, bitte schön, geliebt werden".

Den Gefallen kann man, wenn vielleicht nicht ihr, so doch ihrer Stimme tun. Die 43-jährige Sopranistin beweist, dass diese noch längst nicht im Abbau begriffen ist, sondern, ganz im Gegenteil, an Nuancenreichtum hinzugewann. Diese Reife, die in der Stimmcharakteristik durchaus ein wenig an Maria Callas in ihren stärksten Jahren erinnert, schadet interessanterweise ihrer Interpretation der jugendlichen Cio-Cio-San, genannt Butterfly, in keiner Weise. Sie legt mit dunkel timbriertem Sopran in diese bemitleidenswerte Figur einen Facettenreichtum an Ausdruck, wie es nur die ganz Großen vermochten. Diese Butterfly gehört zu den bemerkenswertesten Interpretationen der vergangenen Jahre. Was auf die ganze Aufnahme zutrifft – seit langem wieder einmal eine reine Studioproduktion. Antonio Pappano und das Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia tauchen in die wohl sinnlichste Musik, die Puccini je schrieb, mit höchster Empathie ein, exzessiv, erschütternd. Der Tenor an Gheorghius Seite ist dieses Mal nicht Ehemann Roberto Alagna sondern Jonas Kaufmann. Mag sein, dass die dunkle, virile Stimmfärbung des gegenwärtig bedeutendsten deutschen Tenors den Hörer erst auf eine falsche Fährte führt; es ist keine helle Italianità à la Pavarotti doch diese durchschlagskräftige, baritonale Stimme hat höchste Kultur und herrlichen Schmelz.

Dagegen hat die Konkurrenz kein leichtes Bestehen. Zumal schon die Klangqualität der Bellini-Produktion den Live-Mitschnitt deutlich verrät. Am letzten Quäntchen Brillanz mangelt es aber auch Anna Netrebko als Giulietta-Julia. Trotz des bekannt wohligen Netrebko-Tonfalls: ihre Höhe wirkt nicht frei (Beispiel: "Morte io non temo"), ihre Intonation bisweilen leicht eingetrübt. Elina Garancas Romeo ist dagegen überzeugender, herrlich jugendlich-knabenhaft, schlank in der Stimmführung, wenn auch im Hinblick auf die Anforderungen der Partie sicher ein wenig unorthodox. Dass Joseph Callejas geschmeidiger Tenor für die Partie des Tebaldo etwas mehr Fundament vertrüge, bleibt nicht verborgen. Fabio Luisi geleitet die Wiener Symphoniker umsichtig und routiniert durch Bellinis melodiengeschwängerte, leidenschaftliche Partitur – gut. Doch da das Bessere stets der Feind des Guten war, gewinnt die Konkurrenz den Diven-Wettstreit klar nach Punkten.

– Puccini: Madama Butterfly (EMI)
– Bellini: I Capuleti e i Montecchi (Deutsche Grammophon/Universal)






 
 
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