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Westfälische Nachrichten, 23.
März 2009 |
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Angela Gheorghiu ist «Madame Butterfly»
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Mit
der Operngesamtaufnahme von Puccinis «Madame Butterfly» ist der EMI ein ganz
großer Wurf gelungen. Anlass zu so einer Studio-Produktion, die wegen ihres
Aufwands heutzutage selten geworden sind, war der 150. Geburtstag von
Giacomo Puccini im vergangenen Jahr.
Das Genie aus Lucca ist neben Verdi der populärste Opernschöpfer Italiens,
und seine «Hits» sind weit über die Klassikszene hinaus beliebt. «Madame
Butterfly», die Geschichte der unglücklichen Liebe einer Japanerin zu einem
US-Amerikaner, gehört zu seinen berühmtesten Werken. Es ist eine wunderbare
Oper und eine schrecklich traurige Geschichte.
Die Oper verdankt ihre Entstehung dem «Japonismus», der um die Wende zum 20.
Jahrhundert en vogue gewesen war. Der historische Hintergrund ist die -
durch den militärischen Druck der USA erzwungene - Öffnung Japans für den
internationalen Handel. Nagasaki wurde, auch für die europäischen Mächte, zu
einem großen Warenumschlagplatz, und die Kultur des fernöstlichen
Inselreiches kam in Mode.
Mit den Opernstars Angela Gheorgiu und Jonas Kaufmann ist die Oper
prominent besetzt und wird durch einen Opern-Spezialisten, den Dirigenten
Antonio Pappano und das römische Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa
Cecilia und dessen Chor bestens und kompetent in Szene gesetzt. Und auch
die Nebenrollen bei «Madame B» können sich hören lassen.
Puccini erhielt die Anregung zu «Madame Butterfly» bei einem Theaterbesuch
in London. Der Autor des gleichnamigen Bühnenstücks wiederum hatte sich
durch eine Erzählung anregen lassen. Nach ausgiebiger und akribischer
Recherche fügte der italienische Komponist japanische Instrumente und
originale Melodien in sein Werk ein, um das überzeugende fernöstliche Flair
zu schaffen. Allerdings geriet die Uraufführung am 17. Februar 1904 zu einem
Desaster. Bis zum heute vorliegenden Dauerbrenner wurde «Madame Butterfly»
aber noch mehrmals umgeschrieben.
Gegen Bares arrangierte «Ehen auf Zeit» von Japanerinnen mit Ausländern
waren in Nagasaki damals möglich. Die Figur des amerikanischen
Marineoffiziers Pinkerton geht so eine Verbindung leichtfertig mit dem
15-jährigen Geisha-Mädchen Cio-Cio-San ein (Cio San bedeutet nichts anderes
als Schmetterlingsfrau). In vielen Übertragungen wurde später ihr Alter
heraufgesetzt, um es weniger anstößig erscheinen zu lassen. Die Ehe ist
falsch, die Liebe des Mädchens aber ist echt. Die Tragödie nimmt ihren Lauf:
Butterfly wird Christin, Pinkerton verlässt Japan mit dem Versprechen der
Rückkehr, Butterfly bekommt ein Kind, Pinkerton kehrt mit einer Ehefrau
zurück, Butterfly wähnt sich verheiratet und verschmäht einen japanischen
«Verehrer», die Pinkertons wollen das Kind in die USA holen, und Butterfly
übergibt ihr Kind, bevor sie Selbstmord begeht.
Das Mädchen, am Ende der Oper gerade erst 18, ist die eigentlich
tiefgründige Figur der Oper. In ihrer ehrlichen Hingabe, ihrer Sehnsucht und
durch ihr Leiden ist sie die überragende moralische Gestalt, eine die
männlichen Protagonisten überragende Heroine. Der widersprüchliche
amerikanische Pinkerton ist durch das penetrant immer wieder auftauchende
Thema des «Star Spangled Banner» charakterisiert. Er ist ein unbekümmerter
US-Marinesoldat mit Macho-Allüren, der durch seine Ahnungslosigkeit und
Unbedarftheit eine Tragödie verursacht.
Anna Gheorgiu gilt als weltweit führende Puccini-Interpretin, und in der Tat
passt ihr Sopran mit dem dunklen ausdrucksbetonten Timbre perfekt zu
Puccinis «Madame Butterfly», der Geisha Cio-Cio San. Die unwiderstehliche
Rumänin meistert ihren Part mit Bravour. Die bekannteste Arie der Oper, «Un
bel di vedremo», in der Cio-Cio-San ihre ganze Sehnsucht zum Ausdruck
bringt, hat man wohl seit Jahrzehnten nicht so wundervoll gesungen hören
können. Neben ihr glänzt der zur Zeit aufregendste lyrische Tenor, der
Münchner Jonas Kaufmann, in der Rolle des amerikanischen Offiziers
Pinkterton. Der deutsche Startenor gibt den schwierigen Charakter kräftig
und einfühlsam.
Das mehrsprachige 150 Seiten umfangreiche und sehr informative Booklet
rundet Puccinis «Madame Butterfly» wunderbar ab. |
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