Oberhessische Zeitung, 21. März 2009

Thomas Schmitz-Albohn

CD aktuell

Dass die internationale Opernszene mehr zu bieten hat als Anna Netrebko und Rolando Villazon beweist ein nicht minder zugkräftiges Gespann, das sich für die Studio-Einspielung von Giacomo Puccinis "Madame Butterfly" bei EMI Classics zusammengefunden hat: Angela Gheorghiu, eine der führenden Verdi- und Puccini-Interpretinnen unserer Zeit, und Jonas Kaufmann, der in den zurückliegenden anderthalb Jahren eine sagenhafte Karriere gemacht hat, lassen als Butterfly und Pinkerton die Opernfreunde nur so dahin schmelzen. Über Gefühl und Stimmpracht verfügen beide ohnehin in reichem Maße. Puccinis (1858 bis 1924) Streben nach emotionaler Wahrhaftigkeit wird von ihnen in makelloser Klarheit eingelöst. Auch wenn "Madame Butterfly" im Ruf eines "unverschämten Schmachtfetzens" stehe, "der sich in einer Musik von unerhört geschmackvoller Süße und einer exotisch parfürmierten, polierten Orchestration suhlt", so treffe diese doch den Zuhörer auf eine Weise, die durch keine noch so blasierte Spitzfindigkeit abzuschwächen sei, schreibt Stephen Jay-Taylor im Beiheft des Doppelalbums. Auch Angela Gheorgius erstickt etwaige Mäkeleien im Keime: In ihrer intensiver Darstellung blüht die Titelfigur auf das Schönste auf. Die Nuancierungsfähigkeit und Farbigkeit ihres Soprans und die außergewöhnliche Fähigkeit, sich ihrem Publikum mitzuteilen, machen die Aufnahme zu einem großen Hörerlebnis. Und natürlich versteht sie es, ihre große Arie "Un bel di vedremo" und die Abschiedsszene "Tu? tu? Piccolo Iddio" herzzerreißend und echt zu gestalten. Jonas Kaufmann, dessen geschmeidige, und sich mühelos emporschwingende Tenorstimme immer ein wenig an den jungen Placido Domingo und den unvergessenen Fritz Wunderlich erinnert, ist ein hinreißener Pinkerton, ein betörender Heißsporn. Am Pult des Orchesters der nationalen Akademie Santa Cecilia in Rom entfacht der Opernspezialist Antonio Pappano einen Rausch der Sinne und Klangfarben. Was will man mehr?