|
|
|
|
|
Klassik-heute.de |
|
|
L.v. Beethoven: Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 (mit
Schlußchor über Verse aus Schillers "Ode an die Freude" für Soli, Chor und
Orchester, 1822/1824)
|
|
Camilla Nylund (Sopran), Iris Vermillion
(Alt), Jonas Kaufmann (Tenor), Franz-Josef Selig (Bass), Gächinger Kantorei
Stuttgart, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Roger Norrington
(Leitung) Hänssler Classic 93.088 |
|
Künstlerische Qualität:9 (Bewertungsskala: 1-10)
Klangqualität: 9 Gesamteindruck 9 |
|
Daß
die Neunte den Musizierenden auch heute noch einiges in den Weg stellt,
offenbart sich im Schlußstein dieser Gesamteinspielung. Norrington rettet
sich im Kopfsatz für meinen Geschmack etwas zu oft in opernhafte
Übertreibung. Warum zum Beispiel gleich zu Beginn diese kleinen Schweller
hin zu den Zieltönen des Themas im Baß, welche dann von Violinen und Violen
überdeckt werden, obwohl Beethoven doch ausdrücklich pp sempre notierte? Der
Satz könnte für meinen Geschmack viel weniger solcher Norringtonischen
Eigenarten und Kurzatmigkeit, dafür aber viel mehr Straffheit und Wucht
vertragen. Im übrigen entfaltet sich die Sinfonie beredt, feurig und
plastisch, wie man sie sich kaum mehr anders vorstellen kann. Im von jeher
problematischen Trio (Tr. 3, 7'00) ist Norringtons Tempo meiner Auffassung
nach allerdings zu langsam: Del Mars Vermutung, es seien Halbe = 160
gemeint, gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt, daß das Triothema
bereits das Freudenthema (in doppelter Vergrößerung; Halbe im Trio
entsprechen Vierteln im Finale) vorausnimmt. Dies ist von Beethoven mit
Halbe = 80 metronomisiert. Norrington stellt nun keine Temporelation
zwischen Trio und Freudenthema her (vgl. Tr. 4, 2'07).
Ein Glücksfall ist das Adagio, für das sich Norrington viel mehr Zeit als
früher nimmt (ohne freilich larmoyant zu werden wie viele Kollegen), und das
herrlich zum Singen und Schwingen kommt. Die Schreckensfanfare kommt im
Vergleich zu 1987 relativ harmlos daher; allerdings ist im Gegensatz zur
früheren Aufnahme das umstrittene Tempo der Alla-Marcia-Sektion (Tr. 4,
8'28) weit zügiger und richtig getroffen. Der Chor singt tadellos und ohne
in den Höhen zu brüllen, wie oft zu hören ist. Franz Josef Selig macht
seinem Namen mit seinem rund und voll klingenden Wohlfühl-Baß wieder alle
Ehre. Jonas Kaufmann paßt mit seinem eher baritonal gefärbten Tenor
ebenso ausgezeichnet dazu wie der dunkle, edle Mezzosopran von Iris
Vermillion. Nur die Sopranistin Camilla Nylund sticht unvorteilhaft
heraus (warum müssen sinfonische Chorwerke eigentlich immer von dramatischen
Sopranen mit Dauer-Vibrato besetzt werden?). Das paßt hier auch überhaupt
nicht zum Vibrato-losen Spiel der Streicher. Im Ganzen hatte mich
Norringtons Einspielung von 1987 doch mehr überzeugt, auch wenn diese
Aufführung der Neunten einen durchaus würdigen Schlußpunkt eines der
insgesamt spannendsten und bedeutendsten Sinfonie-Zyklen Beethovens auf CD
darstellt. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|