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Das Orchester 11/2004 |
Walter Schneckenburger |
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Schönberg, Arnold: Die Jakobsleiter / Friede auf Erden
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Interpret: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin,
Ltg. Kent Nagano, Rundfunkchor Berlin, Ltg. Simon Halsey |
Verlag/Label: Harmonia
mundi France 801821 |
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Nach seiner infolge
der wenig überzeugenden Sängerauswahl etwas zwiespältig ausgefallenen
Einspielung von Beethovens Christus am Ölberg hat Kent Nagano bei seiner
zweiten Aufnahme für sein neues Label Harmonia mundi France (Vertrieb
Helikon Harmonia Mundi) einen weitaus besseren Griff getan. Denn Nagano,
dessen Kompetenz für die Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sich
schon zuvor in einigen gelungenen Einspielungen gezeigt hat, kann bei
Schönbergs unvollendetem Oratorium Die Jakobsleiter, dem er Friede auf Erden
in der Chor- und Orchesterversion sozusagen als Vor- und Nachspiel
beigegeben hat, sein ganzes Können zeigen.
Die Jacobsleiter, von Schönbergs Schüler Winfried Zillig auf Wunsch von
Schönbergs Witwe nach dem Particell zu einer Aufführungsfassung
ausgearbeitet, gehört wie Moses und Aron, mit dem die Jacobsleiter nicht nur
bei der Thematik Berührungspunkte hat, zu den Schlüsselwerken des
Komponisten, die Fragment blieben.
Schönberg, der den Text zu dem Oratorium selbst verfasste, beschäftigte sich
1917 intensiv mit der Komposition. Durch den Kriegsdienst unterbrochen,
begann er sich bis 1922 erneut mit ihr zu befassen, ohne jedoch noch mehr
als das „Symphonische Zwischenspiel“ komponieren zu können, das den ersten
und den nicht mehr ausgeführten zweiten Teil verbinden sollte. Spätere
Anläufe Schönbergs zur Vollendung der Jakobsleiter kamen über Ansätze nicht
hinaus. Schönbergs religiöses Ringen, die aus unterschiedlichen Quellen (der
sehr gute Booklettext gibt hier genaue Auskunft) gespeiste Vorstellung einer
die gesamte Menschheit umfassenden Religion ist die Grundlage eines seiner
faszinierendsten Werke, bei dem er einen bedeutenden Schritt hin zur
Ausarbeitung seiner Kompositionsweise „mit zwölf nur aufeinander bezogenen
Tönen“ tat. Man kann die Jakobsleiter durchaus als eine Vorstufe des
dodekafonen Prinzips sehen.
Nun ist Nagano glücklicherweise kein reiner Analytiker am Pult. Mit dem
bestens vorbereitet wirkenden Deutschen Symphonie-Orchester Berlin gelingt
ihm eine farbreich-expressive Wiedergabe, die der Größe und dem
Ausdrucksgehalt der Musik immer gerecht wird. Spieltechnisch ist das
Orchester den hohen Anforderungen – Zillig entschied sich für eine Besetzung
wie beispielsweise bei Mahlers Sinfonien – stets gewachsen. Dies gilt auch
für den von Simon Halsey geleiteten Rundfunkchor Berlin, der den hohen und
stilistisch sehr unterschiedlichen Anforderungen nicht zuletzt Dank der
vokalen Qualitäten der Sänger und Sängerinnen immer gerecht wird.
Ein besseres Händchen als bei der angesprochenen Beethoven-Einspielung hatte
Nagano auch bei der Auswahl seiner Solisten. Die Tenöre Jonas Kaufmann,
Stephan Rügamer und Kurt Azesberger, Michael Volle und James Johnson (beide
Bariton) sowie die Sopranistinnen Salomé Kammer und Heidi Meier bilden ein
auf hohem Niveau agierendes, charakterisierungssicheres Solistenensemble.
Im Vordergrund steht aber der Bariton Dietrich Henschel als Gabriel. Seine
Qualitäten als Liedsänger kommen hier ebenso zum Tragen wie seine Erfahrung
mit der Oper des frühen 20. Jahrhunderts. Eine gestalterisch und sängerisch
absolut überzeugende Leistung. |
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